Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Treuwidrigkeit eines Antrag nach § 1032 Abs. 2 ZPO

 

Normenkette

ZPO § 1032

 

Tenor

Der Antrag auf Feststellung, dass ein schiedsrichterliches Verfahren zwischen den Parteien auf der Grundlage des zwischen den Parteien im Jahre 2014 geschlossenen Vertrages über die Lieferung einer Verpackungsmaschine unzulässig ist, wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 150.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin begehrt die Feststellung der Unzulässigkeit eines von der Antragsgegnerin eingeleiteten schiedsrichterlichen Verfahrens.

Die Antragstellerin ist eine mittelständische Herstellerin von Verpackungsmaschinen für den Lebensmittelbereich, die sie weltweit vertreibt.

Die Antragsgegnerin ist ein in Jemen ansässiges großes Industrieunternehmen.

Die Parteien schlossen nach vorangegangenen Verhandlungen und einem Schriftwechsel zuletzt einen mit "order confirmation" überschriebenen englisch-sprachigen Vertrag (im Folgenden auch: 2. Auftragsbestätigung) vom 10.09.2014 über den Verkauf einer Verpackungsmaschine von der Antragsstellerin an die Antragsgegnerin.

Der von beiden Parteien unterzeichnete Vertragstext enthielt unter Nr. 7 im letzten Absatz folgende Bestimmung:

"The applicable law is German law. Place of jurisdiction and performance is Friedberg (Hessen)."

Die in dem Vertragstext ausdrücklich als Vertragsbestandteil bezeichneten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin, die dem von den Parteien unterzeichneten Vertragstext beigefügt waren, enthielten unter der Überschrift "disputs and applicable law" u.a. folgende Regelung:

"46. All disputes arising out of or in connection with the contract shall be finally settled under the rules of arbitration of the International Chamber of Commerce by one ore more arbitraters appointed in accordance with the set rules."

Deutsch:

"46. Sämtliche Streitigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag ergeben, sollen abschließend nach den Schiedsregeln der Internationalen Handelskammer durch einen oder mehrere Schiedsrichter entschieden werden, die nach den genannten Regeln bestellt werden."

Im Übrigen wird anstelle einer weiteren Darstellung der vertraglichen Vereinbarungen der Parteien auf den englischsprachigen Vertragstext (Bestandteil der Anlage Ast 1 bzw. Anlage Ag 1) Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin leistete nach Vertragsabschluss eine Anzahlung in Höhe von 347.037,75 EUR an die Antragstellerin. In der Folge kam es zwischen den Parteien zu Streitigkeiten über die weitere Vertragsabwicklung.

Die Antragsgegnerin leitete mit einem Schiedsantrag vom 22.11.2018 vor der ICC ein Schiedsverfahren gegen die Antragstellerin ein, in dem sie Ansprüche wegen der Nichterfüllung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages über die Lieferung der Verpackungsmaschine geltend macht.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, eine Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Vertrages gemäß den §§ 133, 157 BGB ergebe, dass für Streitigkeiten aus dem Vertragsverhältnis eine Zuständigkeit der staatlichen Gerichte bestehe, da dies in der im Vertragstext unter Nr. 7 enthaltenen Klausel zwischen den Parteien individuell vereinbart worden sei. Die mit dieser Regelung kollidierende Schiedsklausel in den dem Vertrag beigefügten Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei wegen des Vorrangs der Individualabrede gemäß § 305b BGB nicht anwendbar.

Die in Nr. 7 des Vertragstextes enthaltene Klausel könne nicht mittels einer unzutreffenden Übersetzung auf den Inhalt "Gerichtsort" reduziert werden. Vielmehr ergebe die Auslegung der Klausel, dass sich der Begriff "place of jurisdiction" auf die Gerichtsbarkeit beziehe und eindeutig eine Zuständigkeitsvereinbarung zugunsten der ordentlichen Gerichtsbarkeit begründe. Dies gelte umso mehr, als die Parteien den Vertragstext auf demselben Blatt - nur wenige Zeilen nach dieser Vereinbarung - unterschrieben hätten. Die Kongruenz einer Zuständigkeitsvereinbarung einerseits und einer Schiedsklausel andererseits sei unter Berücksichtigung der Entscheidung BGHZ 52, 35 nach dem Prinzip der Sachnähe durch Auslegung in der Weise aufzulösen, dass Regelungen den jeweiligen Auftragsbestätigungen Vorrang gegenüber den ebenfalls in den Vertrag einbezogenen Lieferbedingungen zukomme. Es komme hinzu, dass der Abschluss einer Schiedsvereinbarung erfordere, dass sich die Parteien über den Ausschluss des Rechtsweges zu den staatlichen Gerichten einig sind. Es sei daher bei einer unklaren Formulierung im Zweifel keine Schiedsvereinbarung anzunehmen und der Weg zu den staatlichen Gerichten eröffnet, wenn sich ein Wille der Parteien zum Ausschluss des Rechtswegs durch Vertragsauslegung nicht ermitteln lasse. Zu berücksichtigen sei im Übrigen, dass das objektive Interesse der Antragstellerin dahin gehe, Streitigkeiten nicht etwa im Jemen, sondern im Rahmen der deutschen staatlichen Gerichtsbarkeit auszutragen. Ein Schiedsspruch sei für die Antragstellerin ...

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