Entscheidungsstichwort (Thema)

Disziplinarverfahren gegen Notar. Voraussetzungen einer vorläufigen Amtsenthebung eines bisher disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Notars

 

Leitsatz (amtlich)

1. Nach § 96 Abs. 1 S. 1 BNotO, § 38 Abs. 1 BDG ist Voraussetzung für die vorläufige Amtsenthebung, dass im Disziplinarverfahren voraussichtlich auf Entfernung aus dem Notardienst erkannt werden wird. Dies setzt voraus, dass es aufgrund der summarischen Prüfung des dem Notar vorgeworfenen Sachverhalts überwiegend wahrscheinlich sein muss, dass gegen ihn die disziplinarische Höchstmaßnahme verhängt werden wird.

2. Eine solch vorläufige Amtsenthebung kann auch bei einem bisher disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getretenen Notar gerechtfertigt sein, wenn er mit seiner Beurkundungstätigkeit an Handlungen mitgewirkt hat, bei denen er erkennen konnte, dass mit dem Urkundsgeschäft unredliche Zwecke verfolgt werden (hier: Kettenkaufverträge).

 

Normenkette

BDG § 38 Abs. 1; BNotO § 14 Abs. 2, § 96 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 08.11.2013; Aktenzeichen NotSt(B) 1/13)

 

Tenor

Der Antrag des Antragstellers vom 29.08.20... auf Aussetzung der vorläufigen Amtsenthebung wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens nach einem Streitwert von 50.000 Euro zu tragen.

 

Gründe

I.

Der am ...195... geborene Antragsteller ist seit 19... als Rechtsanwalt zugelassen. Er wurde 198... zum Notar bestellt. Nach Tätigkeiten - auch als angestellter Rechtsanwalt - in verschiedenen Sozietäten gründete er im Jahr 20... eine eigene Kanzlei. Der Antragsteller ist nicht vorbestraft. Disziplinarisch ist er bislang rechtskräftig nicht belangt worden.

Die Staatsanwaltschaft O2 erhob am 11.02.20... gegen den Antragsteller - neben weiteren Beschuldigten - beim Landgericht O2 Anklage und beschuldigte den Antragsteller, mit von ihm im zweiten Halbjahr 20... durchgeführten notariellen Beurkundungen von Grundstücksankauf- und -verkaufsverträgen in drei Fällen "vorsätzlich anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtwidriger Tat (Betrug) Hilfe geleistet zu haben", indem er in jeweiliger Kenntnis der Immobilienüberfinanzierung die notwendigen notariellen Beurkundungen vorgenommen und damit erst die Eigentumsübertragungen und Darlehensgewährungen durch die Bank ermöglicht habe. Nach Übersendung der Anklage an den Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main leitete dieser mit Verfügung vom 06.04.20... gemäß §§ 20 ff. BDG in Verbindung mit § 96 Abs. 1 BNotO gegen den Antragsteller wegen des Verdachts sich aus den in der Einleitungsverfügung vom 06.04.20... wiedergegebenen Anklagevorwürfen ergebender Dienstvergehen ein Disziplinarverfahren ein, setzte dieses zugleich bis zur Beendigung des Strafverfahrens aus und übersandte diese Einleitungsverfügung dem Antragsgegner, bei dem sie am 11.04.20... einging, zur Kenntnisnahme. Dieser sah sich veranlasst, den Präsidenten des Landgerichts Frankfurt am Main als Einleitungsbehörde des Disziplinarverfahrens mit Verfügung vom 14.04.20... um Stellungnahme zu ersuchen, "ob eine Maßnahme nach § 38 BDG in Betracht kommt".

Diese Anfrage wurde unter dem 26.04.20... dahingehend beantwortet, dass "weitere Erkenntnisse über den mit der Einleitungsverfügung vom 06.04.20... festgehaltenen Sachverhalt hinaus nicht vorliegen". Weiter heißt es:

"Einer vorläufigen Amtsenthebung nach § 96 BNotO i. V. m. § 38 Abs. 1 BDG wird diesseits nicht entgegen getreten. Nach diesseitiger vorläufiger Einschätzung wird in dem noch frühen Verfahrensstadium im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Notar vorgeworfenen Dienstvergehen unter Abwägung des Schutzes wichtiger Gemeinschaftsgüter seine Amtsenthebung schon vor Rechtskraft der Entscheidung im Disziplinarverfahren als Präventivmaßnahme jedenfalls derzeit nicht für erforderlich erachtet".

Im Verfahren ... Js .../... - 15 KLs sprach das Landgericht O2 auf der Grundlage der ab dem 16.06.20... bis zum 02.02.20... durchgeführten Hauptverhandlung durch Urteil vom 02.02.20... den Antragsteller der Beihilfe zum Betrug in zwei Fällen schuldig und verurteilte ihn zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und drei Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde. Zudem wurde festgestellt, dass hinsichtlich eines beim Antragsteller sichergestellten Betrages von 2.116,00 Euro sowie eines Restbetrages von 3.213,11 Euro die Ansprüche Verletzter "der Anordnung des Verfalls von Wertersatz" entgegenstehen. Eine Abschrift dieses am 04.04.20... zur Strafkammer - Geschäftsstelle gelangten, u. a. vom Antragsteller mit der Revision angefochtenen Urteils wurde dem Antragsgegner mit Verfügung vom 17.04.20... zugeleitet und ist bei diesem am 19.04.20... eingegangen.

Der Antragsgegner teilte dem Antragsteller mit diesem am 23.05.20... zugestellter Verfügung vom 21.05.20... unter Einräumung einer Stellungnahmefrist seine Absicht mit, den Antragsteller gemäß §§ 96 Abs. 1 S. 1 BNotO, 38 Abs. 1 BDG vorläufig des Amtes zu entheben. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung (Bl. 1...

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