Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung des Richters wegen atypischer Vorbefasstheit (Vorbefassung als wissenschaftlicher Mitarbeiter)
Normenkette
ZPO § 42
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 21.12.2020; Aktenzeichen 2-06 O 414/18) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 21. Dezember 2020 (2-06 O 414/18) wird zurückgewiesen.
Die Beklagten zu 1) und 3) haben je zur Hälfte die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die 28 Klägerinnen sind öffentlich-rechtliche Körperschaften bzw. öffentliche Unternehmen. Sie sind auf dem Gebiet der Daseinsvorsorge (insbesondere Abfallentsorgung, Feuer- und Gefahrenabwehr) tätig und haben hierzu nach ihrem Vortrag seit Januar 1997 insgesamt 418 mittelschwere und schwere Lastkraftwagen erworben, die von verschiedenen Unternehmensgruppen hergestellt bzw. vertrieben wurden. In dem vor der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main anhängigen Rechtsstreit verlangen die Klägerinnen von den Beklagten Schadensersatz wegen Wettbewerbsverstößen durch deren Beteiligung am sog. LKW-Kartell. Die Klage stützt sich im Wesentlichen auf Feststellungen, die die Europäische Kommission in einem Bußgeldverfahren gegen die Beklagten und andere LKW-Hersteller getroffen hat (Verfahren ... - Trucks).
Der geschäftsplanmäßig in der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main tätige Richter A hat eine dienstliche Erklärung abgegeben, wonach er in der Anwaltsstation seines Referendariates und danach von März 2019 bis August 2019 promotionsbegleitend als wissenschaftlicher Mitarbeiter für die Rechtsanwaltskanzlei B tätig war. Die Rechtsanwaltskanzlei B vertritt die Firma D SE sowie die Beklagten zu 2.) und 4.) (D1 AG und D1c GmbH) im Rahmen von Schadensersatzklagen wegen Beteiligung an dem LKW-Kartell.
Aus der dienstlichen Erklärung von Herrn Richter A sowie aus der anwaltlichen Versicherung von Herrn Rechtsanwalt E geht hervor, dass Herr A während seiner Tätigkeit für die Rechtsanwälte B im Zusammenhang mit der Verteidigung der D Unternehmen gegen zivilrechtliche Ansprüche an insgesamt sechs parallel gelagerten Verfahren vor verschiedenen Landgerichten und vor einem Oberlandesgericht mitgewirkt und, dass er an der Beratung der D Unternehmen zu übergeordneten Rechtsthemen im Zusammenhang mit der Verteidigung gegen derartige zivilrechtliche Ansprüche mitgewirkt hat. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dienstliche Stellungnahme des Richters A und auf die anwaltliche Versicherung von Herrn Rechtsanwalt E ebenso wie auf den Schriftsatz der Rechtsanwälte B vom 10. Juni 2020 verwiesen (Bl. 1411, Anlage HM 135 sowie Bl. 1460 f. d. A.).
Die Beklagten zu 1) und 3) haben Herrn Richter A aufgrund dieses Sachverhalts wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie sind der Ansicht, dass in Fällen der sog. atypischen Vorbefassung des Richters ohne das Hinzutreten weiterer Umstände ein Ablehnungsrecht besteht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Ablehnungsgesuchs wird auf die Schriftsätze vom 9. Und 10. Juni 2020 verwiesen (Bl. 1444 und 1454. d.A.). Die Kläger haben in ihrer Stellungnahme ausdrücklich von einem Ablehnungsgesuch abgesehen (Bl. 1439 f. d. A.).
Durch den angefochtenen Beschluss hat das Landgericht diesen Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Vorbefassung des abgelehnten Richters mit früheren Verfahren von Prozessparteien sei regelmäßig nicht geeignet, die Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Weitere Anhaltspunkte, die für eine Voreingenommenheit des Kollegen sprechen könnten, seien nicht ersichtlich. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen (Bl. 1475 f. d. A.).
Die Beklagten zu 1) und 3) haben form- und fristgerecht Beschwerde gegen diese Entscheidung eingelegt, der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 46 Abs. 2, 567 Abs. 1, 569 ZPO). Sie ist jedoch nicht begründet.
Ein Ablehnungsgesuch nach § 42 Abs. 1 ZPO ist nur dann begründet, wenn ein objektiver Grund vorliegt, der vom Standpunkt des Ablehnenden aus die Befürchtung erwecken kann, der Richter stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber. Der persönliche Standpunkt der Partei, die die Befangenheit geltend macht, ist dabei wichtig, aber nicht entscheidend (vgl. BAG, Beschluss vom 7.12.2012, 7 AZR 646/10, DB 2013, 1560; Münchener Kommentar zur ZPO (MK) - Stockmann, ZPO, 6. Aufl., Rn. 3 zu § 42 ZPO). Entscheidend ist allein, ob ein Prozessbeteiligter bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass hat, an der Unvoreingenommenheit und Unparteilichkeit des Richters zu zweifeln (BGH NJW-RR 2003, 1220, 1221). Solche Gründe lassen sich aus der früheren Tätigkeit von Herrn Richter A für die Rechtsanwaltskanzlei B nicht herleiten.
Die hiesige Konstellation unterfällt der Fallgr...