Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen für die Entziehung der Vermögenssorge gem. § 1666 BGB
Leitsatz (amtlich)
Die Entziehung der Vermögenssorge gem. § 1666 BGB durch den Richter kommt bei einer Gefährdung von Vermögensinteressen nur als letztes Mittel in Betracht, wenn Maßnahmen gem. § 1667 BGB nicht mehr ausreichen. Dies kann nicht dadurch umgangen werden, dass der Rechtspfleger bereits bei jeder denkbaren Vermögensgefährdung einen "erheblichen Interessengegensatz" i.S.v. § 1796 BGB annimmt und gem. § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB eingreift.
Normenkette
BGB § 1629 Abs. 2 S. 3, §§ 1666-1667, 1796
Verfahrensgang
AG Gießen (Beschluss vom 17.05.2004; Aktenzeichen 26 F 1544/02 SO) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind wechselseitig nicht zu erstatten.
Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Der Verfahrenswert wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Das AG (FamG) hat am 17.5.2004 mit Zustimmung der Kindesmutter und des Jugendamtes des Landkreises Gießen eine (weitere) Ergänzungspflegschaft für das Kind S. XYZ mit dem Wirkungskreis Vertretung des Kindes bei der Geltendmachung der Herausgabe des Sparbuchs der Postbank Hamburg Nr. ... ggü. dem Kindesvater W. XYZ und Verwaltung des Sparbuchs angeordnet sowie eine bis dahin bestehende Ergänzungspflegschaft zur Vertretung des Kindes im Rechtsstreit 12 C 234/02 des AG Soest für beendet erklärt. Auf den angefochtenen Beschluss des FamG vom 17.5.2004 sowie die Gründe des Nichtabhilfebeschlusses vom 8.11.2004 (des VormG?) wird Bezug genommen. Die Ergänzungspflegerin hatte zuvor mit einem Schriftsatz vom 23.3.2004 zum Aktenzeichen 26 F 1544/02 SO des AG Gießen mitgeteilt, dass der vor dem AG in Soest geführte Prozesse rechtskräftig abgeschlossen ist und der Beklagte zur Auskunft verurteilt wurde, die er mittlerweile auch erteilt habe. Nach seiner Auskunft betrage das Guthaben auf dem umstrittenen Sparbuch 2.898,68 EUR. Auf Grund des Guthabens sei auch davon auszugehen, dass der einzuzahlende Betrag dort eingezahlt wurde. Jedoch ergebe sich eine Gefährdung der Vermögensinteressen des Kindes daraus, dass es überhaupt eines gerichtlichen Verfahrens bedurfte, bis der Kindesvater über den Stand des Sparbuchs Auskunft erteilt habe. Deshalb hatte sie angeregt, die weitere Ergänzungspflegschaft für ein Verfahren einzurichten, das auf die Entziehung der Vermögenssorge gerichtet ist betreffend das Sparbuch der Postbank Hamburg Nr. .... Zwar sei ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Kindesvaters zwischenzeitlich wieder eingestellt, es lasse jedoch Rückschlüsse auf die finanzielle Situation des Kindesvaters zu, so dass zu befürchten sei, das Guthaben des Sparbuches werde vom Vater für eigene Zwecke verbraucht.
Es war dann der Rechtspfleger des AG, der der Meinung war, der Aufgabenkreis des Ergänzungspflegers solle jetzt erweitert werden auf die Geltendmachung der Herausgabe des Sparbuchs und auf die Verwaltung des Sparbuches, dies obwohl das AG Soest einen Anspruch auf Herausgabe des Sparbuches in dem zwischenzeitlich beendeten Rechtsstreit gerade nicht gesehen hatte.
Die Beschwerde des Antragsgegners, der am erstinstanzlichen Verfahren überhaupt nicht beteiligt worden ist und auch erst durch ein Schreiben der Ergänzungspflegerin vom 1.6.2004 von deren Bestellung erfahren hat, ist zulässig und begründet.
Zwar kann über das Sorgerecht oder Teile davon (insb. bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 1666 BGB) erforderlichenfalls auch ohne Antrag eine Regelung getroffen werden (OLG Frankfurt v. 6.2.2003 - 1 WF 3/03, OLGReport Frankfurt 2003, 153 [154] = NJW-RR 2003, 1517 [1518]). Völlig zu Recht weist jedoch der Antragsgegner darauf hin, dass für ein solches Verfahren, das hier auf eine teilweise Entziehung der Vermögenssorge gerichtet war, die richterliche Zuständigkeit des FamG bestanden hätte. Der Rechtspfleger ist über die Anregung der Ergänzungspflegerin hinausgegangen und hat entgegen deren Intention, die auf ein Verfahren gem. § 1666 BGB gerichtet war, gleich selbst in die Vermögenssorge eingegriffen. Bei diesem Eingriff handelte es sich der Sache nach nicht mehr nur um eine bloße Ergänzungspflegschaft wie zuvor zur Führung des Rechtsstreits beim AG Soest, sondern um die Übertragung eines Teils der Vermögenssorge selbst, was auch von der Ergänzungspflegerin selbst eingeräumt wird. Ausnahmsweise sieht § 1629 Abs. 2 S. 3 BGB i.V.m. § 1796 BGB allerdings auch eine Entziehung der Vertretungsmacht für einzelne Angelegenheiten im Falle eines erheblichen Interessengegensatzes vor. Hierfür genügt allerdings nicht die bloße Möglichkeit eines Interessengegensatzes, dieser muss vielmehr konkret festgestellt werden (Palandt/Diederichsen, BGB, § 1629, Rz. 20 [24 ff.], § 1796 Rz. 2 ff., jeweils m.w.N.). Solche Feststellungen sind im vorliegenden Fall nicht getroffen, ausreichende Anhaltspunkte sind auch nicht ersichtlich. Tatsächlich geht es um Maßnahmen, für die der Gesetzgeber speziell in § 1667 BGB das notwe...