Leitsatz (amtlich)

Versagung der Vollstreckbarerklärung nach Art. 45 Abs. 1 EuGVVO für ausländisches Urteil

 

Normenkette

EuGVVO Art. 34 Fassung: 2000-12-22, Art. 35 Fassung: 2000-12-22, Art. 45 Fassung: 2000-12-22

 

Verfahrensgang

LG Marburg (Beschluss vom 15.09.2015; Aktenzeichen 2 O 150/15)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragsgegner gegen den Beschluss des Landgerichts Marburg - 2. Zivilkammer - vom 15.09.2015 (Az. 2 O 150/15) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass den im Urteil des Bezirksgerichts Lodz des Staates Polen - 10. Wirtschaftsabteilung - vom 17. August 2010 zugesprochenen gesetzlichen Zinsen folgende Zinssätze entsprechen:

20 % vom 16.01.2002 bis zum 24.07.2002,16 % vom 25.07.2002 bis zum 31.01.2003,13 % vom 01.02.2003 bis zum 24.09.2003,12,25 % vom 25.09.2003 bis zum 09.01.2005,13,5 % vom 10.01.2005 bis zum 14.10.2005,11,5 % vom 15.10.2005 bis zum 14.12.2008,13 % vom 15.12.2008 bis zum 22.12.2014, 8 % vom 23.12.2014 bis zum 31.12.2015 und 7 % seit dem 01.01.2016 bis zum Zahlungstag.

Die Antragsgegner haben die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf bis zu 30.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsgegner wenden sich im Beschwerdeverfahren gegen den Beschluss des Landgerichts Marburg vom 15.09.2015, mit dem das Landgericht die Erteilung der Vollstreckungsklausel für ein Urteil des Bezirksgerichts Lodz vom 17.08.2010 zugunsten des Antragsstellers als Rechtsnachfolger der Titelgläubigerin angeordnet hat.

Dem polnischen Urteil lag eine Klage aus abgetretenem Recht zugrunde, mit der die Rechtsvorgängerin des Antragstellers die Antragsgegner als Geschäftsführer der polnischen Gesellschaft A auf Ausgleich einer gegen diese Gesellschaft gerichteten, in einem Zahlungsbefehl des Bezirksgerichts in Warschau vom 30.10.2002 titulierten Forderung der Gesellschaft B einschließlich Zinsen und Verfahrenskosten in Anspruch nahm. Zuvor war über das Vermögen der Gesellschaft A das Insolvenzverfahren eröffnet und das gegen die Gesellschaft geführte Zwangsvollstreckungsverfahren wegen Erfolglosigkeit der Zwangsvollstreckung eingestellt worden.

Das Bezirksgericht Lodz ordnete in dem zum Erlass des Urteils führenden Verfahren mit Verfügung vom 14.10.2009 (Anlage AS 11, Bl. 278 f. d.A.) an, dass den Antragsgegnern die ins Deutsche übersetzte Abschrift der Klageschrift (Anlage AS mit Belehrung per Post (gegen Rückschein/Empfangsbestätigung) zugestellt werden sollte. Im Folgenden ging bei dem polnischen Gericht ein von dem Antragsgegner zu 1. unterzeichneter Rückschein (Anlage AS 4, Bl. 113 d.A. und Anlage AS 10, Bl. 277 d.A.) ein. In Bezug auf den Antragsgegner zu 2. traf das Bezirksgericht Lodz durch Verfügung vom 26.01.2010 (Anlage AS 15, Bl. 356 f. d.A.) die Anordnung, die übersetzte Abschrift der Klageschrift (Anlage AS 13, Bl. 315 ff. d.A.) samt beigefügten Belehrungen durch die Vermittlung der im Empfängerstaat (Deutschland) zustellungsbefugten Behörde zuzustellen. Bei dem polnischen Gericht ging im Folgenden ein von dem Antragsgegner zu 2. unterzeichnetes Empfangsbekenntnis des Amtsgerichts Korbach vom 26.02.2010 nebst beigefügten Zustellungsunterlagen (Anlage AS 12, Bl. 313 d.A.) ein. Die Antragsgegner äußerten sich gegenüber dem polnischen Gericht in einem dort am 24.11.2009 eingegangenen Schreiben des Antragstellers zu 1. (Anlage AS 5, Bl. 150 d.A.) und einem Schreiben des Antragsgegners zu 2. vom 28.02.2010 (Anlage AS 5, Bl. 151 d.A.), auf die anstelle einer Darstellung der Einzelheiten Bezug genommen wird.

Das Bezirksgericht Lodz erließ am 17.08.2010 das Urteil mit dem vom Landgericht für vollstreckbar erklärten Inhalt. Das Urteil wurde von dem polnischen Gericht zunächst nicht begründet und den Antragsgegnern von dem polnischen Gericht nicht zugestellt.

Im Jahr 2012 veranlasste der Antragsteller eine Zustellung des von dem polnischen Gericht weiterhin nicht begründeten Urteils an die Antragsgegner. Die Zustellung erfolgte durch den Gerichtsvollzieher am 21.05.2012 an den Antragsgegner zu 1. und am 06.06.2012 an den Antragsgegner zu 2.. Der Antragsgegner zu 1. ließ durch einen polnischen Rechtsanwalt im Juni 2012 Akteneinsicht nehmen und die Möglichkeiten einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand prüfen. Der polnische Rechtsanwalt teilte dem Antragsgegner zu 1. als Ergebnis der Prüfung mit Schreiben vom 26.06.2012 (Anlage A 2, Bl. 86 d.A.) mit, dass für eine Wiedereinsetzung des Verfahrens in den vorherigen Stand keine Ansatzpunkte bestünden und sich in Polen "in dieser Angelegenheit nichts mehr tun" lasse.

Im Verlauf des vorliegenden Beschwerdeverfahrens beantragte der Antragsteller bei dem polnischen Gericht eine Begründung des Urteils vom 17.08.2010 und legte das begründete Urteil, auf das anstelle einer Darstellung weiterer Einzelheiten Bezug genommen wird, mit dem Prozessbevollmächtigten der Antragsgegner übermittelten Schriftsätzen vom 04.02.2016 und 11.02.2016 als Anlage AS 8 (Bl. 172 ff. d.A.) bzw. Anlage AS 8 A (Bl. 206 ff. d.A.) in polnischer Sprache und d...

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