Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzung einer Scheidung iranischer Staatsangehöriger ("talaq")
Leitsatz (amtlich)
1. Für die Scheidung von ausschließlich iranischen Staatsangehörigen ist gem. Art. 19 Rom III-VO weiterhin Art. 8 Abs. 3 des deutsch-iranischen Niederlassungsabkommens vom 17.02.1929 in Verbindung mit dem Schlussprotokoll vom 04.11.1954 maßgeblich und gelangt damit materielles iranisches Recht zur Anwendung.
2. Sofern auch nach deutschem Scheidungsrecht die Voraussetzungen für eine Ehescheidung vorliegen, kann die Frage eines Verstoßes einer sog. OLG Ffm vom 2019-04-05 (4 UF 35/19) Seite 1 von 7 http://www.hefam.de/urteile/4UF3519.html 30.04.2019 "talaq"-Scheidung gegen den deutschen ordre public dahinstehen.
3. Der nach iranischem Verfahrensrecht als Voraussetzung einer Scheidung notwendige Nachweis der Zahlung der Morgengabe ist nach dem maßgeblichen deutschen Verfahrensrecht nicht erforderlich.
4. Sofern ein Versorgungsausgleich bei ausländischen Staatsangehörigen nur gem. Art. 17 Abs. 3 Satz 2 EGBGB auf Antrag stattfinden kann, darf bei fehlendem Antrag nicht endgültig festgestellt werden, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet.
Normenkette
BGB § 1565 Abs. 1; Brüssel IIa-VO Art. 3 a; Deutsch-Iranisches Niederlassungsabkommen Art. 8 Abs. 3; EGBGB Art. 17 Abs. 3; FamFG § 137 Abs. 2; ZGB IRN § 133; ZGB IRN § 134; Rom II-VO Art. 19; EGVO 2201/2003 Art. 3a
Verfahrensgang
AG Frankfurt am Main (Beschluss vom 07.12.2018; Aktenzeichen 477 F 23065/18) |
Tenor
Die Beschwerde wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der angefochtene Beschluss im Tenor zu Zf. II abgeändert und wie folgt neugefasst wird:
Ein Versorgungsausgleich findet derzeit nicht statt.
Im Übrigen bleibt es bei der angefochtenen Entscheidung.
Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert für die Beschwerdeinstanz wird auf 3.600 EUR festgesetzt.
Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin wendet sich mit dem Rechtsmittel gegen die erstinstanzlich ausgesprochene Ehescheidung.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner, beide ausschließlich iranische Staatsangehörige und Angehörige der schiitischen Rechtsschule, heirateten am XX.XX.2015 im iranischen Stadt1 und lebten zuletzt gemeinsam in Stadt2, wo die Antragsgegnerin heute noch wohnt. Nach ihrer Trennung am XX.XX.2017 (Flucht der Antragsgegnerin in ein Frauenhaus nach häuslichen Gewalttätigkeiten) und Zustellung des Scheidungsantrags an die Antragsgegnerin am 28.08.2018 wiederholte der Antragsteller im Verhandlungstermin vom XX.XX.2018 vor dem Familiengericht seinen Scheidungsantrag und sprach vor den beiden Beteiligtenbevollmächtigten als Zeugen dreimal das Wort "talaq" aus. Die Antragsgegnerin trat dem Scheidungsantrag mit der Begründung entgegen, der Antragsteller habe ihr bislang noch nicht die ehevertraglich vereinbarte Morgengabe von 1.360 Goldstücken, Spiegel und Kerzenhalter sowie 100 "Mesghal" Gold mit einem Wert von insgesamt ca. 425.000 EUR ausgezahlt. Einen Antrag auf Durchführung des Versorgungsausgleichs haben beide Beteiligte nicht gestellt.
Mit Beschluss vom 07.12.2018 hat das Familiengericht die Ehe der Beteiligten geschieden und angeordnet, dass ein Versorgungsausgleich nicht stattfindet. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den erstinstanzlichen Beschluss verwiesen.
Mit ihrer am 17.01.2019 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde gegen den am 18.12.2018 zugestellten erstinstanzlichen Beschluss strebt die Antragsgegnerin die Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an und macht im Wesentlichen geltend, die Voraussetzungen für eine Ehescheidung nach iranischem Recht lägen nicht vor, weil nach iranischer Rechtspraxis die Feststellung der durch den Ehemann ausgesprochenen Scheidung durch ein Gericht erst dann erfolge, wenn zuvor die Erfüllung der auf dem Ehevertrag beruhenden Verpflichtungen nachgewiesen sei. Zudem stelle sich die Frage nach der Ordre public-Widrigkeit der Scheidung nach iranischem Recht ("talaq"-Scheidung). In einem von ihr persönlich abgefassten Schreiben vom 28.01.2019 macht die Antragstellerin darüber hinaus geltend, sie habe die familiengerichtliche Sitzung verlassen, so dass die Entscheidung in ihrer Abwesenheit ergangen sei, sie habe ferner um eine Scheidung nach iranischem Recht gebeten, da dann Unterhalt gezahlt werden müsse, und schließlich müsse der Antragsteller für die Unterdrückungen und Drangsale büßen, die er ihr ehezeitlich zugefügt habe. Daher verlange sie die Hälfte "all unseres Vermögens während der Ehe außer den oben erwähnten Unterhaltsleistungen".
Der Senat hat den Beteiligten Hinweise zur Frage des anwendbaren Eherechts erteilt, auf deren Inhalt Bezug genommen wird, und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
II. Die Beschwerde der Antragsgegnerin ist nach §§ 58 ff. FamFG zulässig, aber unbegründet.
Das Amtsgericht und der Senat sind gem. Art. 3 a) der Verordnung (EG) Nr. 2201/2003 des Rates...