Entscheidungsstichwort (Thema)
Designverletzung: Bevorstehender Ablauf der Schutzfrist kann Höhe des Streitwertes mindern
Leitsatz (amtlich)
Hat das verletzte Design bei Anbringung des Unterlassungsantrages nur noch eine Schutzdauer von acht Monaten, kann sich dies mindernd auf die Höhe des Gebührenstreitwertes auswirken, selbst wenn es sich um ein Design von hoher Bekanntheit handelt.
Normenkette
GKG § 51
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 22.12.2021; Aktenzeichen 2-6 O 353/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Der angefochtene Beschluss wird teilweise abgeändert.
Der Streitwert wird auf 75.000 EUR festgesetzt.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg.
Gründe
1. Entscheidend ist bei Unterlassungsanträgen das Interesse des Klägers bzw. Antragstellers an der Unterbindung weiterer gleichartiger Verstöße, das maßgeblich durch die Art des Verstoßes, insbesondere seine Gefährlichkeit und Schädlichkeit für die Träger der maßgeblichen Interessen, bestimmt wird (BGH GRUR 2017, 212 - Finanzsanierung). Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. z.B. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 3.11.2011 - 6 W 65/10) kommt der Streitwertangabe des Anspruchsstellers zu Beginn des Verfahrens eine indizielle Bedeutung für das tatsächlich verfolgte Interesse zu.
2. Die Antragstellerin hat den Streitwert des Eilverfahrens vorläufig mit 300.000 EUR geschätzt. Dies erscheint nach den Umständen des Falles deutlich übersetzt. Der Eilantrag war vorrangig auf die Verletzung eines international registrierten Designs, hilfsweise auf Unionsmarkenrechte und Wettbewerbsverstöße gestützt. Das Landgericht hat die einstweilige Verfügung - dem Hauptbegehren entsprechend - allein auf das Designrecht gestützt.
a) Das Landgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass das verletzte Designrecht im Hinblick auf die rund 25-jährige Benutzung und die sehr hohen Umsätze, die mit den nach dem Design gefertigten Produkten erzielt werden, über eine hohe Bekanntheit und einen weit überdurchschnittlichen Wert verfügt. Das Landgericht hat allerdings nicht ausreichend berücksichtigt, dass das Design zum Zeitpunkt der Antragstellung nur noch eine Schutzdauer von rund acht Monaten hatte. Das Design genießt in Deutschland Schutz seit dem Jahr 1997. Die Schutzfrist läuft zum 6.8.2022 aus. Der Unterlassungstitel in Gestalt der einstweiligen Verfügung kann damit nur kurze Zeit Bestand haben. Der Grund für das hohe wirtschaftliche Interesse, mit dem Unterlassungsansprüche gegenüber Schutzrechtsverletzern bewertet werden, liegt letztlich darin, dass der Anspruch weit in die Zukunft reicht. Mit dem beantragten Titel können zukünftige Verletzungshandlungen für einen langen Zeitraum unterbunden werden. Ist bei einem zeitlich befristeten Schutzrecht wie dem Design die Schutzfrist bereits nahezu abgelaufen, ist das Interesse entsprechend geringer zu bewerten.
b) Ohne Erfolg beruft sich die Antragstellerin auf die Streitwert-Rechtsprechung des Senats und anderer Gerichte in Markensachen. Sie betrifft die Verletzung eines zeitlich unbegrenzt verlängerbaren Schutzrechts. Es kommt auch nicht darauf an, dass der vorliegende Eilantrag hilfsweise auf die bekannte Unionsmarke der Antragstellerin gestützt ist. Die geltend gemachte Markenverletzung dürfte zwar für sich genommen den vorgeschlagenen Streitwert rechtfertigen. Die Antragstellerin hat sich aber dafür entschieden, den Eilantrag vorrangig auf das Designrecht zu stützen. Der auf die Unionsmarke gestützte Hilfsantrag ist nicht zur Entscheidung gelangt und daher bei der Streitwertfestsetzung nicht zu berücksichtigen.
c) Der Angriffsfaktor ist vorliegend als durchschnittlich zu bewerten. Es ist von einem erheblichen Verschulden auszugehen. Die Antragsgegnerin hätte als professionelles Schuhhandelsunternehmen sowohl die Design- als auch die Markenverletzung erkennen müssen. Zu berücksichtigen ist allerdings der eher moderate Unternehmenszuschnitt der Antragsgegnerin. Dabei kommt es nicht allein auf den Eindruck an, den die Antragstellerin bei Einreichung der Antragsschrift angesichts des erheblichen Online-Angebots der Antragsgegnerin zunächst gewonnen hat. Zwar ist bei der Wertermittlung grundsätzlich auf die Verhältnisse zum Zeitpunkt bei Einreichung des Eilantrags abzustellen (§ 40 GKG; § 4 Abs. 1 Hs. 1 ZPO). Daraus folgt aber nicht, dass bei der Bewertung des Interesses allein auf die zu diesem Zeitpunkt zu vermutenden oder schon bekannten Verhältnisse abgestellt werden kann. Ausschlaggebend ist vielmehr das wirtschaftliche Interesse an der Verhinderung der mit weiteren Verstößen verbundenen wirtschaftlichen Nachteile, für die bereits begangene Verletzungshandlungen nur indizielle Bedeutung haben können (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 12.5.2020 - 6 W 56/20, Rn. 13, juris).
Unter Abwägung sämtlicher Umstände erscheint ein Strei...