Leitsatz (amtlich)
1. Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist ohne vorherige Beschlussfassung antragsbefugt für einen Unterlassungs- bzw. Beseitigungsanspruch gegen einen Störer, der ebenfalls Mitglied der Eigentümergemeinschaft ist, wegen rechtswidriger Eingriffe in Gemeinschaftseigentum nach Invollzugsetzung der Eigentümergemeinschaft. Zustandsstörer ist auch ein Eigentümer, der die von seinem Mieter ohne Genehmigung der Gemeinschaft vorgenommene bauliche Veränderung (Lüftungsanlage) duldet.
2. Die Nutzung von Teileigentum, das nach der Teilungserklärung als "Laden" gewerblich genutzt werden darf, als Schnell-Imbiss verstößt bei der gebotenen typisierten Betrachtungsweise gegen die vereinbarte Zweckbestimmung in der Teilungserklärung.
3. Für eine Lüftungsanlage, die ein Teileigentümer ohne Zustimmung der Gemeinschaft hat anbringen lassen, kann eine Duldungspflicht bestehen, wenn die Anlage auch bei Betreiben eines Ladens erforderlich gewesen wäre.
Normenkette
BGB § 1004; WEG § 14 Nr. 1, § 15 Abs. 3, § 22 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Beschluss vom 03.03.2004; Aktenzeichen 19 T 243/2003) |
AG Seligenstadt (Aktenzeichen II 41/02) |
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Sache zur erneuten Prüfung und Entscheidung an das LG Darmstadt - 19. Zivilkammer -, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde übertragen wird, zurückverwiesen.
Der Wert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
Gründe
Der Antragsteller und die Antragsgegner bilden die Wohnungseigentümergemeinschaft an dem Wohn- und Geschäftshaus ... in O1 und streiten um den Rückbau einer Lüftungsanlage durch den Antragsgegner.
Der Antragsgegner ist Eigentümer der im Erdgeschoss des Anwesens liegenden Teileigentumseinheit, die in der Teilungserklärung mit "nicht zu Wohnzwecken dienenden bestimmten Räumen, bestehend aus 1 Laden, 1 Aufenthaltsraum, 1 Lagerraum und 1 WC sowie ein dazugehöriges Sondernutzungsrecht an 2 Kraftfahrzeugeinstellplätzen ..." (Bl. 31 d.A.) beschrieben ist.
Bei seinem Erwerb 1984 fand der Antragsgegner zur Lüftung der Teileigentumseinheit einen kleinen Durchbruch der Außenmauer mit Gitter und eingebautem Ventilator vor. Über den nicht zu öffnenden Fenstern befanden sich schmale Lüftungsschlitze. Mitte 1998 ließ der damalige Mieter des Antragsgegners, der in den Räumen einen Schnell-Imbiss betrieb, eine Lüftungsanlage installieren, bei der aus einem oberhalb des bereits vorhandenen Mauerdurchbruchs mit Ventilator angebrachten zweiten Mauerdurchbruch ein Edelstahlrohr u-förmig über das darüber liegende Vordach zur fensterlosen Giebelwand des Gebäudes führt. Wegen der Einzelheiten wird auf die Lichtbilder (Bl. 107-109 d.A.) verwiesen.
Mit Schreiben ihres Verfahrensbevollmächtigten vom 25.5.1999 (Bl. 103, 104 d.A.) forderten die Antragsteller den Antragsgegner auf, seinen Mieter auf Einhaltung der Hausordnung zu verpflichten und kündigten eine Überprüfung an, ob eine nach der Teilungserklärung zulässige Nutzung des Teileigentums vorliege. In einem Schreiben vom 23.12.1999 regte die Verwalterin u.a. eine Überprüfung der Dunstabzugsanlage beim Gewerbeamt an (Bl. 90 d.A.) und bat in einem Schreiben vom 19.1.2000 den Antragsgegner um Unterlagen wie Wartungsvertrag und TÜV-Abnahme bzgl. der Abzugsanlage. Auf eine Anfrage der Verwaltung vom 9.3.2000, ob der Antragsgegner dem Mieter den Einbau der Abluftanlage genehmigt habe, äußerte sich der Antragsgegner am 17.3.2000 u.a. dahin, eine Zustimmung zur ordnungsgemäßen Installation habe der Mieter auf Grund der mietvertraglichen Verpflichtung zur ausreichenden Lüftung voraussetzen dürfen, Einwendungen im Nachhinein habe er nicht erhoben (Bl. 102 d.A.). Mit Schreiben vom 18.6.2001 (Bl. 105, 106 d.A.) forderten die Antragsteller den Antragsgegner zur Beseitigung der Abluftanlage und Herstellung des Ursprungszustands auf. Der Antragsgegner trat dem mit Schreiben vom 29.6.2001 (Bl. 92 d.A.) entgegen und verwies darauf, dass er nicht Eigentümer der Lüftungsanlage bzw. mietvertraglich gebunden sei. Allenfalls nach Beendigung des Mietverhältnisses könne sich die Möglichkeit einer Zurückversetzung in den Urzustand ergeben. Am 27.8.2001 schloss der Antragsgegner einen neuen Mietvertrag mit dem jetzigen Mieter ab, der einen ...-Imbiss darin betreibt.
Nach einem auf Anregung des Antragsgegners abgehaltenen Ortstermin wurde in einer außerordentlichen Wohnungseigentümerversammlung vom 28.1.2002 zu TOP 3 die Genehmigung der Installation und des Betriebes einer Abzugsanlage für die Teileigentumseinheit des Antragsgegners mehrheitlich abgelehnt (Bl. 6 d.A.). Eine Anfechtung dieses Beschlusses ist nicht erfolgt. Mit Anwaltsschreiben vom 9.4.2002 (Bl. 7 d.A.) erfolgte eine Fristsetzung zum 15.4.2002 mit Androhung gerichtlicher Geltendmachung des Beseitigungsanspruchs. Der Antragsgegner vertrat in einem Schreiben vom 13.4.2002 (Bl. 8 d.A.) die Auffassung, da der bestehende Zustand der Teilungserklärung entspreche, bedürfe es keiner Zustimmun...