Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsmissbräuchlicher Eilantrag
Leitsatz (amtlich)
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist rechtsmissbräuchlich und daher unzulässig, wenn der Antragsteller nur mitteilt, die vorgerichtliche Abmahnung der Antragsgegnerin sei "ergebnislos" gewesen, obwohl die Antragsgegnerin den Verletzungsvorwürfen mit rechtlichen Erwägungen entgegengetreten ist und außergerichtlich auf die Pflicht zur Vorlage ihrer Erwiderung hingewiesen hat.
Normenkette
BGB § 242; ZPO § 138 Abs. 1, §§ 922, 936
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 25.03.2024; Aktenzeichen 3-10 O 44/24) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Gründe
I. Die Parteien mit Sitz in Stadt1 sind unmittelbare Wettbewerber im Bereich Bestattungsdienstleistungen.
Die unter "X Gesellschaft mit beschränkter Haftung" firmierende Antragstellerin ist ein etabliertes Stadt1er Bestattungsunternehmen. Ihr Alleingesellschafter und -geschäftsführer ist seit dem Erwerb aller weiteren Anteile von Vorname1 Nachname1, der Tante des Alleingesellschafters und -geschäftsführers der Antragsgegnerin Vorname2 Nachname1, alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der Antragstellerin, die ihre Leistungen unter www.(...).de bewirbt.
Vorname2 Nachname1 gründete die Antragsgegnerin im Jahr 2023. Ihr Sitz wurde Anfang 2024 nach Stadt1 verlegt (vgl. die Handelsregistereintragung unter...). Die Firma der Antragsgegnerin lautet: "Bestattungen Nachname1 GmbH". Ihre Internetseite unter www.(...).de befindet sich noch im Aufbau.
Nachdem die Antragstellerin durch fehlerhafte Postzustellungen auf die Antragsgegnerin aufmerksam geworden war, ließ sie diese mit Anwaltsschreiben vom 23.02.2024 abmahnen (vgl. Anlage 20-26, EA 30 ff.). Sie forderte von der Antragsgegnerin Unterlassung der weiteren Verwendung des Firmenbestandteils "Nachname1" und Unterzeichnung einer dem Schreiben beigefügten strafbewehrten Unterlassungserklärung (vgl. Anlage 26 [EA 36] i.V.m. Anlage AG4 [EA 95]).
Die Antragsgegnerin lehnte die Abgabe einer Unterlassungserklärung mit Anwaltsschreiben vom 01.03.2024 ab. Sie war der Auffassung, der Antragstellerin stünden zwar Rechte an deren Firmierung zu, allerdings nicht "isoliert" für einzelne Bestandteile, sondern nur im Ganzen. Ein Anspruch aus § 15 Abs. 2 MarkenG bestehe mangels Verwechslungsgefahr nicht, auch dürfe sie den Eigennamen ihres Geschäftsführers und Gesellschafters nach dem "Recht der Gleichnamigen" ohne Einwilligung nutzen. Für den Fall, dass die Antragstellerin die gerichtliche Auseinandersetzung suchen wolle, wies sie darauf hin, dass die Antragstellerin im Rahmen ihrer Verpflichtung aus § 138 ZPO gehalten sei, dem gegebenenfalls anzurufenden Gericht diese Stellungnahme zur Abmahnung vorzulegen. Die unterzeichnende Rechtsanwältin bezeichnetet sich als prozess- und zustellungsbefugt (vgl. insgesamt Anlage AG5, EA 96 ff.).
Mit ihrem streitgegenständlichen Eilantrag vom 15.03.2024 an das Landgericht Hanau hat die Antragstellerin gestützt auf Kennzeichen- und Wettbewerbsrecht begehrt, die Antragsgegnerin unter Androhung konkret benannter Ordnungsmittel zu verurteilen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Hessen unter der geschäftlicher Bezeichnung "Bestattungen Nachname1 GmbH" aufzutreten. Dabei hat sie zwar die Rechtsanwältin der Antragsgegnerin als Verfahrensbevollmächtigte ins Rubrum aufgenommen (vgl. EA 1), aber nicht ausdrücklich mitgeteilt, dass die Antragsgegnerin ihrer Abmahnung vorgerichtlich entgegengetreten ist, sondern nur ausgeführt (vgl. S. 5 des Eilantrags):
"Die Antragsgegnerin ist vor Antragstellung durch Übersendung eines Anwaltschreibens vom 23.02.2024 ergebnislos abgemahnt worden. Insoweit ist der anhängig gemachte Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Durchsetzung der Rechte der Antragstellerin dringend geboten.
Beweis: Kopie des anwaltlichen Schreibens vom 23.02.2024 als Anlage 20-26".
Auch hat die Antragstellerin dem Eilantrag zwar das Abmahnschreiben beigefügt, nicht aber die von ihr vorformulierte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung mit den Verpflichtungen zur Unterlassung der weiteren Verwendung des Firmenbestandteils "Nachname1" und der Zahlung einer Vertragsstrafe in Höhe von 50.000 Euro für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung unter Ausschluss der Einrede des Fortsetzungszusammenhangs (vgl. Anlage AG4, EA 95).
Unter Ziffer 1.4 des Eilantrags heißt es lediglich (vgl. S. 8):
"In diesem Rahmen ist auch das Recht der Gleichnamigen zu berücksichtigen, was dazu führt, dass Verwechselungen in gewissen Umfang hinzunehmen sind (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen aaO, § 5 Rn. 9.13, mwN).
Vorliegend besteht ein Konflikt darüber, ob das Gleichnamigenrecht, das dem Geschäftsführer der Antragsgegnerin zusteht, oder das Prioritätsprinzip, das der Antragsstellerin zusteht, Anwendung findet. [...]".
Nachdem das Landgericht Hanau Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, der Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin die Antra...