Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsmittelverfahren: Fehlende Kerngleichheit geänderter Werbung
Leitsatz (amtlich)
Eine geänderte Werbung, deren Aussagen weder dem Wortlaut nach noch inhaltlich mit denen des Unterlassungstitels übereinstimmen, fällt nicht in dessen Kernbereich und führt nicht zur Verhängung eines Ordnungsmittels, wenn nicht davon ausgegangen werden kann, dass die geänderten Angaben (zumindest gedanklich) bereits Gegenstand des ursprünglichen Erkenntnisverfahrens waren.
Normenkette
ZPO § 890
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 27.03.2024; Aktenzeichen 3-08 O 57/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss der 8. Kammer für Handelssachen den Landgerichts Frankfurt am Main vom 27.03.2024 (3-08 O 57/21) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Gläubigerin.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Gläubigerin und Beschwerdeführerin (nachfolgend: Gläubigerin) begehrt die Verhängung eines Ordnungsmittels gegen die Schuldnerin und Beschwerdegegnerin (nachfolgend: Schuldnerin) wegen Verstoßes gegen das Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 13.12.2023 (3-08 O 57/21).
Das Landgericht hat die Schuldnerin - soweit hier relevant - unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel rechtskräftig verurteilt,
es zu unterlassen
a) mit der Angabe "Jetzt Krankenkassenanteil sichern!" zu werben, wenn dies geschieht wie in Anlage K4 wiedergegeben und/oder
b) mit der Angabe "Fragen Sie hier direkt ihren Krankenkassenanteil an!" zu werben, wenn dies geschieht wie in Anlage K4 wiedergegeben und/oder
c) mit der Angabe "Sichern Sie sich hier schnell Ihren Krankenkassenanteil für bestes Hören" zu werben, wenn dies geschieht wie in Anlage K4 wiedergegeben.
Dabei war die Werbung in Anlage K4 wie nachfolgend wiedergegeben gestaltet (vgl. auch Anlage GL2 [GA 447], von der Gläubigerin auf Bitte des Senats nochmal besser lesbar und in Farbe eingereicht mit Schriftsatz vom 30.04.2024):
((Abbildung))
Zur Begründung dieser Entscheidung hat das Landgericht unter anderem ausgeführt, die nach § 5 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 UWG irreführenden Werbeaussagen seien geeignet, beim angesprochenen Verkehr - dem breiten Publikum - die Fehlvorstellung hervorzurufen, beim Kauf eines Hörsystems bei der Beklagten könne auch dann eine Krankenkassenabrechnung erfolgen, wenn der Verkauf vollständig online abgewickelt werde. Den Appell in Bezug auf den Krankenkassenanteil verstehe der Verkehr so, dass der Erwerb eines Hörgeräts bei der Beklagten eine Kassenleistung sei. Sich den Anteil "sichern" oder diesen "anfragen" zu können impliziere, dass die Erstattungsfähigkeit im Grundsatz gegeben sei. Der Verkehr rechne nicht damit, dass die Kassen die Erstattungsfähigkeit auf eine entsprechende Anfrage erst prüfen müssten und in Kenntnis einer kompletten Online-Abwicklung ablehnen könnten. Der Verkehr gehe auch nicht davon aus, dass der Hörtest bei einer Abrechnung mit der gesetzlichen Krankenkasse in den präqualifizierten Räumlichkeiten der Beklagten durchgeführt werden müsse und - je nach Krankenkassenbedingungen - gegebenenfalls weitere Messungen vor Ort erforderlich seien (zu den Einzelheiten, vgl. GA 381 ff.).
Gegenstand des streitgegenständlichen Ordnungsmittelverfahrens ist die nachfolgend wiedergegebene Werbung der Schuldnerin (Anlage GL2 [GA 447], mit Schriftsatz vom 30.04.2024 ebenfalls nochmal in Farbe und besser lesbar elektronisch eingereicht):
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((Abbildung))
Die Gläubigerin ist der Auffassung, mit der neuerlichen Werbung habe die Schuldnerin kerngleich gegen den Unterlassungstitel verstoßen. Die Irreführung der Werbung als "Deutschlands 1. Online-Hörakustiker" mit der hervorgehobenen Aussage "Bis zu 1.690 Euro Zuschuss bekommen" mit dem Hinweis darauf, dass Krankenkassen bei der Anschaffung und beim Service von Hörgeräten bis zu 1.690 Euro übernehmen könnten, unter Verweis auf die Zusammenarbeit mit den führenden Krankenkassen mit Abbildungen von Logos erzeuge gleichermaßen die Fehlvorstellung, dass grundsätzlich auch dann problemlos eine Krankenkassenabrechnung erfolgen könne, wenn der Kauf vollständig online abgewickelt werde. Einen Hörtest und etwaige weiteren Messungen vor Ort halte der Verkehr auch insoweit nicht für erforderlich. Der Eindruck einer dem Grunde nach gegebenen Erstattungsfähigkeit werde durch den Hinweis auf die Zusammenarbeit mit den führenden Krankenkassen und die ausdrückliche Bereitschaft der Schuldnerin, bei Fragen zur Krankenkasse und den notwendigen Unterlagen Hilfe zu leisten, verstärkt. Den kleingedruckten Hinweis am unteren rechten Rand der Internetseite der Schuldnerin unterhalb der Angaben zu "AGB", "Impressum", "Datenschutzerklärung" und der Adresse der Beklagten:
"Wir möchten Sie darauf aufmerksam machen, dass bei einer Hörgeräte-Festbestellung für die Anpassung der Hörgeräte ein Besuch in unseren Geschäftsräumen vor Ort: Straße1, Stadt1 oder b...