Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen für Umgangsrecht der Großeltern mit dem Kind

 

Normenkette

BGB § 1685 Abs. 1

 

Verfahrensgang

AG Michelstadt (Beschluss vom 09.02.2021)

 

Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Beschwerdewert wird auf 4.000,- EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin ist die Großmutter der acht und sechs Jahre alten betroffenen Kinder. Sie wendet sich gegen die Ablehnung ihres Antrags auf Regelung ihres Umgangs mit den Enkeln.

Die betroffenen Kinder sind aus der geschiedenen Ehe der Mutter, der Beteiligten zu 5, und eines Sohnes der Beschwerdeführerin hervorgegangen. Die zum Zweck der arrangierten Ehe aus der Türkei nach Deutschland übergesiedelte Mutter war bei As Geburt 18 Jahre alt. Das Paar lebte zunächst mit der Beschwerdeführerin in einer Wohnung und bezog später eine eigene. Im ... 2015 hat die Mutter mit den Kindern Schutz in einem Frauenhaus gesucht und hat seitdem mehrfach den Aufenthalt gewechselt. Ihre Adresse hält sie geheim. Die Beschwerdeführerin hatte seit 2015 keinen persönlichen Kontakt mehr zu den beiden Enkeln.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Stadt1 vom 08.06.2017 (Az. ...) wurde der Mutter die elterliche Sorge für die Kinder zur alleinigen Ausübung übertragen.

Auf einen ersten Antrag der Beschwerdeführerin auf Regelung ihres Umgangs mit den Enkeln hat das Amtsgericht Stadt1 mit Beschluss vom 17.09.2018 den Umgang für zwei Jahre ausgeschlossen. Ihre Beschwerde hat das Oberlandesgericht Stadt2 mit Beschluss vom 25.01.2019 zurückgewiesen. Kontakte der Beschwerdeführerin zu den Enkeln bürgen wegen des zerrütteten Verhältnisses zwischen der Mutter und der Familie des Vaters die Gefahr von Loyalitätskonflikten. Die Beschwerdeführerin sei den Kindern nach jahrelangem Kontaktabbruch inzwischen fremd. Die Beschwerdeführerin hatte in diesem Verfahren der Mutter die Erziehungsfähigkeit abgesprochen und angeboten, dass die Kinder bei ihr leben könnten.

Nach Ablauf des Umgangsausschlusses hat die Beschwerdeführerin im vorliegenden Verfahren erneut beantragt, den Umgang zu regeln. Die Kinder erinnerten sich an sie und wollten sie sehen. Der Verfahrensbeistand hat mitgeteilt, die Kinder lehnten Kontakt zur Beschwerdeführerin ab. Es solle abgewartet werden, bis sie von sich aus nach ihren familiären Wurzeln suchten. Das Jugendamt meint, Kontakte, die mit Angst verbunden seien, könnten nicht dem Kindeswohl dienen.

Das Amtsgericht hat die betroffenen Kinder nicht angehört. Zum Termin zur Anhörung der übrigen Beteiligten ist der geladene Dolmetscher nicht erschienen, weshalb sich für die Beschwerdeführerin nur deren ebenfalls anwesende Tochter äußern konnte. Das Gespräch mit der Mutter war durch Verständigungsprobleme beeinträchtigt. Das Amtsgericht hat dennoch und ohne die Kinder anzuhören den Antrag der Beschwerdeführerin mit der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen. Aus seiner Sicht bestand kein triftiger Grund i.S.d. § 1696 Abs. 1 BGB, die Entscheidung des OLG Stadt2 vom 25.01.2019 abzuändern. Wegen des Konflikts zwischen der Mutter und der Familie des Vaters sei der Umgang weiterhin nicht kindeswohldienlich.

Die Beschwerde gegen die am 15.02.2021 zugestellte Entscheidung ist am 12.03.2021 bei dem Amtsgericht eingegangen. Die Beschwerdeführerin rügt, dass sie mangels Dolmetscher nicht richtig und die Kinder überhaupt nicht angehört wurden. Die Kinder sehnten sich nach einer Oma. Außerdem müssten sie Respekt und Höflichkeit gegenüber Verwandten lernen. Die Mutter verteidigt die angefochtene Entscheidung. Die Kinder und sie hätten seit sechs Jahren keinen Kontakt mehr zur Beschwerdeführerin. Der Verfahrensbeistand teilt mit, die Kinder wollten die Beschwerdeführerin weiterhin nicht sehen. Das Jugendamt und er bleiben bei der Auffassung, dass die Kinder Angst vor der Großmutter hätten und ein erzwungener Umgang deshalb nicht in ihrem Interesse sei.

Das Beschwerdeverfahren wurde durch Beschluss des Senats auf den Einzelrichter übertragen. Dieser hat die Kinder am 02.06.2021 und die übrigen Beteiligten am 10.06.2021 angehört. Auf die jeweiligen Anhörungsvermerke wird verwiesen.

II. Die gemäß § 58 FamFG statthafte Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt. Sie erweist sich nach Nachholung der in der ersten Instanz unterbliebenen persönlichen Anhörungen als unbegründet.

Das Amtsgericht hat es entgegen § 155 Abs. 2 und § 160 Abs. 1 S. 1 FamFG unterlassen, die Beschwerdeführerin und die Mutter persönlich anzuhören. Der Anhörungspflicht ist nicht schon dann genügt, wenn die Beteiligten zu einem Termin geladen werden. Angesichts der mangelnden Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin und der Mutter wäre die Anwesenheit eines Dolmetschers nach § 185 GVG zwingend erforderlich gewesen. Außerdem hat das Amtsgericht die im vorliegenden Fall gemäß 159 Abs. 2 FamFG gebotene persönliche Anhörung der Kinder unterlassen, ohne dass Gründe i.S.d. § 159 Abs. 3 FamFG ersichtlich oder den Entscheidun...

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