Leitsatz (amtlich)

Zur Berichtigung verschiedener Kostenpositionen des Netzbetreibers bei der Genehmigung der Strom-Durchleitungstarife.

 

Normenkette

EnWG §§ 75, 78; StromNEV §§ 3, 6-7, 10

 

Verfahrensgang

LG Marburg

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin des Elektrizitätsverteilungsnetzes in der Stadt ... Sie betreibt elektrische Verteilungsnetze der Spannungsebenen Mittelspannung und Niederspannung sowie die zugehörige Umspannstufe im Versorgungsgebiet der Stadt und stellt ihr Stromversorgungsnetz Dritten für die Netznutzung zur Verfügung.

Mit Schreiben vom 28.10.2005 hat die Beschwerdeführerin bei der Beschwerdegegnerin die Genehmigung von Stromnetzentgelten gem. § 23a Abs. 1 EnWG beantragt. (Anlage Bf 1). Nachdem die Beschwerdegegnerin sich in einem sog. Positionspapier allgemein zur Kalkulation von Netzentgelten geäußert hatte, forderte sie die Beschwerdeführerin am 14.3.2006 zur Neuberechnung verschiedener Kostenarten nach dem Positionspapier auf (Anlage Bf 4). Eine solche Neuberechnung erfolgte nicht. Mit Schreiben vom 24.4.2006 beantragte die Beschwerdeführerin Einsicht in die Unterlagen aus den Tarifpreisgenehmigungsverfahren betreffend die Beschwerdeführerin nach der BTOElt von 1981 - 2005 (Anlage Bf 5). Die Beschwerdegegnerin beschränkte die Akteneinsicht auf das laufende Verfahren nach § 12 BTOElt und verweigerte die Einsicht in die Akten der abgeschlossenen Verfahren aus früheren Zeiträumen.

Am 9.5.2006 fand eine Schlussbesprechung zwischen der Beschwerdeführerin und den (externen) Prüfern des Regierungspräsidiums Darmstadt statt. Das Ergebnis der Prüfung ist in dem Prüfungsbericht vom 31.5.2006 (Bf 7) enthalten. Mit Schreiben vom 1.6.2006 übersandte die Beschwerdegegnerin der Beschwerdeführerin den Prüfungsbericht, kündigte Kürzungen bei einigen Kostenpositionen an und forderte die Beschwerdeführerin zu einer Neuberechnung auf. Mit Schreiben vom 12.07. und 10.8.2006 nahm die Beschwerdeführerin hierzu Stellung, verblieb jedoch ausdrücklich bei ihrer ursprünglichen Berechnung (Bf 9 und 10).

Unter dem 2.10.2006 erließ die Beschwerdegegnerin einen Bescheid, mit dem sie ab dem 18.10.2006 die in der Anlage zu dem Bescheid "Preisblatt - genehmigte Netzentgelte" aufgeführten Entgelte für den Netzzugang Strom genehmigte.

Die von der Beschwerdeführerin angesetzten Netzkosten kürzte die Beschwerdegegnerin um insgesamt 294.644,41 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid (Anlage Bf 11) und die Vergleichsrechnung (Anlage Bf 12) Bezug genommen. Gegen den ihr am 5.10.2006 zugestellten Bescheid hat die Beschwerdeführerin am 3.11.2006 Beschwerde eingelegt und diese mit am Montag, dem 4.12.2006 eingegangenem Schriftsatz begründet.

Die Beschwerdeführerin rügt Verfahrensmängel und wendet sich in der Sache im Wesentlichen gegen die vorgenommenen Kürzungen bei der Bewertung des Sachanlagevermögens, der liquiden Mittel des Umlaufvermögens, bei der berücksichtigten Gewerbesteuer und den Kosten für den Ausgleich von Verlustenergie.

Sie beantragt, die Genehmigung der Beschwerdegegnerin vom 2.10.2006 rückwirkend aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, den Antrag auf Genehmigung der Netzentgelte vom 28.10.2005 unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Die Beschwerdegegnerin beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Vortrages der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze nebst Anlagen und die Verfahrensakte der Beschwerdegegnerin verwiesen.

II.A. Die Beschwerde ist gem. § 75 EnWG als Verpflichtungsbeschwerde statthaft (OLG Koblenz, Beschl. v. 4.5.2007 - W 605/06 Kart = ZNER 2007, 182) und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist sie form- und fristgerecht (§ 78 EnWG) eingelegt und begründet worden.

B. Die Beschwerde hat in der Sache auch teilweise vorläufig Erfolg.

Ob und inwieweit der Bescheid gegebenenfalls schon aufgrund der gerügten Verfahrensmängel, insbesondere wegen einer nicht ausreichend auf die Verhältnisse des Einzelfalls abgestellten, sondern nur formelhaften Begründung und verweigerter Akteneinsicht aufzuheben wäre, kann dabei dahin gestellt bleiben. Die Einwendungen der Beschwerdeführerin sind in der Sache teilweise berechtigt. Die Kürzungen der für die Entgelte maßgeblichen Kosten durch die Beschwerdegegnerin sind zum Teil rechtswidrig. Der Genehmigungsbescheid ist deshalb aufzuheben und die Beschwerdegegnerin zu verpflichten, über den Genehmigungsantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

Der Bescheidungsausspruch ist bei einem Verpflichtungsbegehren im Beschwerdeverfahren nach § 75 EnWG und 63 ff. GWB nach h.M. analog § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO bei fehlender Spruchreife zulässig (OLG Koblenz, a.a.O.; Salje, Energiewirtschaftsgesetz, § 83, Rz. 16; Bechtold, GWB, 3. Aufl., § 71 Rz. 5; Immenga/Mestmäcker, GWB, 3. Aufl., § 71 Rz. 19;m.w.N.; a.A. wohl Langen/Bunte, GWB, 10. Aufl., § 71 Rz. 27).

1. Bewertung des Sachanlagevermögens (Nutzungsdauern)

Die Beschwerde hat Erfolg, soweit die Beschwerdegegn...

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