Entscheidungsstichwort (Thema)
Sachverständigenablehnung: Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen aufgrund Stellungnahme im Ablehnungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Bezeichnet ein Sachverständiger in einer Stellungnahme zu einem Ablehnungsgesuch die Partei, die den Ablehnungsantrag gestellt hat, durchgängig als "Gegenseite", so kann dies im Einzelfall die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen begründen.
Normenkette
ZPO § 406 Abs. 1-2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 11.08.2017; Aktenzeichen 2-04 O 17/16) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten und Beschwerdeführerin wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11. August 2017 in Verbindung mit dem Beschluss über die Nichtabhilfe vom 12. Oktober 2017 abgeändert.
Der Antrag der Beklagten und Beschwerdeführerin auf Ablehnung des Sachverständigen A wird für begründet erklärt.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf EUR 216.666,67 festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger fordert von der Beklagten und Beschwerdeführerin (im Folgenden: der Beklagten) materiellen und immateriellen Schadensersatz wegen einer seiner Ansicht nach nicht lege artis vorgenommenen medizinischen Notfallbehandlung im Anschluss an einen Verkehrsunfall.
Das Landgericht Frankfurt am Main hat mit Beschluss vom 7. September 2016 (Bl. 101 f. d. A.) das Einholen eines schriftlichen Sachverständigengutachtens beschlossen. Mit Beschluss vom 18. Januar 2017 (Bl. 126 d. A.) hat es Herrn A zum Sachverständigen bestellt.
Nach der Übersendung des Sachverständigengutachtens an die Parteien hat die Beklagte mit Anwaltsschriftsatz vom 6. Juli 2017 (Bl. 171 ff. d. A.) den Sachverständigen A wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt.
Zur Begründung hat die Beklagte u. a. ausgeführt, der Sachverständige habe zu ihren Lasten Vermutungen angestellt, die Behandlungsunterlagen nicht ausgewertet und keine weiteren Unterlagen angefordert. Auch ermangele es dem Sachverständigen an der erforderlichen Fachkompetenz. Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung des Ablehnungsgesuchs wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 6. Juli 2017 (Bl. 171 ff. d. A.) Bezug genommen.
Der Sachverständige hat zu dem Ablehnungsgesuch der Beklagten mit Schreiben vom 30. Juli 2017 (Bl. 181 ff. d. A.) Stellung genommen. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf seine Stellungnahme verwiesen.
Die Beklagte hat sodann mit Anwaltsschriftsatz vom 3. August 2017 zu der ihr übersandten Stellungnahme des Sachverständigen Position bezogen und ihr Ablehnungsgesuch nunmehr auch darauf gestützt, dass eine Besorgnis der Befangenheit auch deshalb vorliege, weil der Sachverständige die Beklagte als "Gegenseite" bezeichne. Wegen der näheren Einzelheiten wird auf den Anwaltsschriftsatz vom 3. August 2017 (Bl. 192 f. d. A.) Bezug genommen.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 11. August 2017 wies das Landgericht das Ablehnungsgesuch zurück (Bl. 194 ff. d. A.). Zur Begründung führte das Landgericht u. a. aus, ein etwaiger Mangel an Sachkunde des Sachverständigen begründe nicht die Besorgnis der Befangenheit des Gutachters.
Auch mit der Bezeichnung der Beklagten als "Gegenseite" lasse sich eine Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Die Bezeichnung der Beklagten als "Gegenseite" sei nur ein Synonym für Antragstellerin. In dem schriftlichen Gutachten werde der Begriff "Gegenseite" nicht verwendet. Selbst wenn es sich bei der Verwendung des Begriffes "Gegenseite" um eine Unmutsäußerung des Sachverständigen handeln sollte, läge - so das Landgericht weiter - eine unangemessene Überreaktion des Sachverständigen nicht vor.
Gegen diesen ihrem Prozessbevollmächtigten am 18. August 2017 (Bl. 201 d. A.) zugestellten Beschluss des Landgerichts hat die Beklagte mit Anwaltsschriftsatz vom 31. August 2017 (Bl. 206 f. d. A.) - beim Landgericht per Fax noch am selben Tage eingegangen (Bl. 204 f. d. A.) - sofortige Beschwerde erhoben. Die Beklagte hat insoweit u. a. ausgeführt, die Einseitigkeit des Sachverständigen liege offen zu Tage, wenn sich - wie hier - die mangelnde Sorgfalt des Sachverständigen "in allen Fällen zu Lasten der Beklagten" auswirke. Im Übrigen erwecke ein Sachverständiger, der eine Partei mehrfach als "Gegenseite" bezeichne, den offensichtlichen Anschein der Parteilichkeit.
Wegen der näheren Einzelheiten der Begründung der sofortigen Beschwerde wird auf die Anwaltsschriftsätze vom 31. August 2017 (Bl. 206 f. d. A.) sowie vom 25. September 2017 (Bl. 217 f. d. A.) Bezug genommen.
Das Landgericht hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 12. Oktober 2017 (Bl. 222 f. d. A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist nach den §§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 406 Abs. 5 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere binnen der Notfrist von zwei Wochen nach § 569 Abs. 1 ZPO eingelegt worden. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Ablehnungsgesuch ist zulässig.
Nach § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO ist der Ablehnungsantrag bei dem Geri...