Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Berichtigung tatsächlichen Feststellungen in einem Beschluss

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Antrag auf Berichtigung der tatsächlichen Feststellungen eines Beschlusses nach § 320 ZPO ist jedenfalls dann unzulässig, wenn eine mündliche Verhandlung nicht stattgefunden hat.

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.10.2003; Aktenzeichen 3/3 O 156/02)

 

Tenor

Der Antrag wird als unzulässig zurückgewiesen.

 

Gründe

I. In den tatsächlichen. Feststellungen des Beschlusses vom 14.10.2003 ist festgehalten:

"Die Klägerin hat den Vortrag zur Aufrechnungsforderung in pauschaler Weise bestritten und geltend gemacht, die Aufrechnung sei gem. § 479 BGB a.F. allenfalls ggü. jenen in die Klage einbezogenen Forderungen möglich, aus deren Lieferungen die Beklagte den Schadensersatzanspruch herleitet."

Später ist in der Senatsentscheidung ausgeführt, dass die Klägerin im Beschwerdeverfahren ihren Vortrag dahin geändert habe,

... "dass die Lieferungen, auf deren Schlechterfüllung sich die Beklagte stützt, nicht Gegenstand der Klageforderung seien".

Tatsächlich hatte die Klägerin zunächst ausgeführt (Schriftsatz vom 19.2.2003, S. 3 und 4, Bl. 105 unten, 106 oben d.A.), dass eine Aufrechnung nur

"ggü. dem jeweiligen Kaufpreisanspruch zulässig ist, nicht aber ggü. sonstigen Forderungen der Klägerin, die indessen ausschließlich Gegenstand der vorliegenden Klage sind".

Sie hat dann mit Schriftsatz vom 3.4.2003 (Bl. 139 d.A.) weiter ausgeführt:

"Ergänzend stelle ich klar, dass die Rechnungen der Klägerin für die Lieferung der Schottertragschicht (vgl. lit. i der Klägeerwiderung) i.H.v. 41.448,92 DM = 21.192,49 Euro sowie des Materials für die Nivellierschicht (vgl. lit. l) i.H.v. 2.575,93 DM = 1.317,05 Euro in der diesseitigen Klageforderung enthalten sind" ...

Die am angegebenen Ort der Klageerwiderung beschriebenen Lieferungen der Klägerin erfolgten im Rahmen. der Schadensbehebung der Beklagten.

Mit Schriftsatz vom 20.10.2003 hat die Klägerin u.a. beantragt, den Tatbestand des Beschlusses dahin zu berichtigen, dass der Vortrag vor dem LG mit demjenigen im Beschwerdeverfahren identisch sei.

II. Der mit Schriftsatz vom 20.10.2003 gestellte Antrag ist auf Tatbestandsberichtigung gem. Abs. 1 ZPO gerichtet. Dies ergibt zweifelsfrei die Wortwahl in dem anwaltlichen Schriftsatz und die Bezugnahme auf Belegstellen in der Fachliteratur und Rechtsprechung, die sich auf eine Tatbestandsberichtigung bei Beschlüssen beziehen.

Der Antrag ist unzulässig. Eine Tatbestandsberichtigung nach § 320 Abs. 1 ZPO ist nicht zulässig, weil diese Bestimmung sich ihrem Wortlaut nach auf den Tatbestand eines Urteils bezieht. Eine erweiternde Auslegung des § 320 Abs. 1 für Beschlüsse kann nicht vorgenommen werden, weil diese die Grenze des möglichen Wortsinns überschreiten würde und der sich in § 329 Abs. 1 S. 2 ZPO ausdrückenden Gesetzessystematik zuwiderliefe.

Eine die Aufzählung des § 329 Abs. 1 S. 2 ZPO erweiternde entsprechende Anwendung des § 320 Abs. 1 ZPO für Beschlüsse ist nicht möglich (ebenso OLG Köln MDR 1976, 848; Musielak in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl. 2000, § 329 Rz. 13; Musielak in ZPO, 3. Aufl. 2002, § 329 Rz. 20; Baumbach/Hartmann, ZPO, 61. Aufl., § 329 Rz. 19; Stein/Jonas/Leipold, 21. Aufl. 1998, § 320 Rz. 5), weil weder eine Regelungslücke gegeben ist noch eine Vergleichbarkeit der Regelungssituation besteht. Eine Regelungslücke fehlt, weil die Nichterfassung des § 320 Abs. 1 ZPO in § 329 Abs. 1 S. 2 ZPO nicht planwidrig erscheint. Die Tatbestandsberichtigung des § 320 Abs. 1 ZPO steht in engem Zusammenhang mit der Beweiskraft des Tatbestands, die § 314 ZPO regelt (vgl. BGH v. 10.3.1983 - VII ZR 135/82, MDR 1983, 838 = NJW 1983, 2030 [2032]; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 320 Rz. 1; Fischer, Bezugnahmen - insb. pauschale Bezugnahmen - in Tatbeständen und Schriftsätzen im Zivilprozess und damit zusammenhängende Fragen, Diss. Frankfurt 1993, S. 85 m.w.N. in Fn. 75). Eine Beweiskraft nach § 314 ZPO haben tatsächliche Feststellungen in Beschlüssen grundsätzlich nicht, weil für sie regelmäßig tatsächliche Feststellungen nicht geboten sind (Arg. aus § 313 ZPO, vgl. Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 329 Rz. 35).

Eine Bindungswirkung des Rechtsbeschwerdegerichts steht der Wirkung des § 314 ZPO jedenfalls dann nicht gleich, wenn es an einer mündlichen Verhandlung in der Instanz fehlt, die der - hier zugelassenen - Rechtsbeschwerde vorangegangen ist. Dementsprechend hat auch der BGH in der von der Klägerin herangezogenen Entscheidung (BGH BGHZ 65, 30 [35]; sich anschließend Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 320 Rz. 2 für Verfahrensendentscheidungen) die entsprechende Anwendung des § 320 Abs. 1 ZPO nur für solche Beschlüsse bekräftigt, in denen es nach einer mündlichen Verhandlung zu einer Rechtsbeschwerde kommen kann, weil insoweit die Feststellungen aus der mündlichen. Verhandlung für das Rechtsbeschwerdegericht bindend sind. Die vorgenannte Entscheidung des BGH erging in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nach GWB auf Gr...

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