Entscheidungsstichwort (Thema)

Gerichtliche Schätzung des Unternehmenswertes nach § 287 ZPO Abs. 2 ZPO analog

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die gerichtliche Schätzung des Unternehmenswertes nach § 287 Abs. 2 ZPO analog setzt eine tragfähige Schätzgrundlage voraus. Tragfähigkeit ist in der Regel bereits dann gegeben, wenn die zur Anwendung gebrachten Parameter und Methoden nach Auffassung des erkennenden Gerichts geeignet und aussagekräftig, aber gemessen am Bewertungsziel nicht notwendigerweise zugleich bestmöglich sind.

2. Eine Marktrisikoprämie, die sich an die für den Bewertungsstichtag maßgeblichen Empfehlungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer e.V. bzw. dessen Fachausschusses für Unternehmensbewertung orientiert, kann im Regelfall als Bestandteil einer tragfähigen Grundlage für die Schätzung des Unternehmenswertes herangezogen werden.

3. Zum Einfluss bestehender Produktions- und Vertriebsverträge auf den Betafaktor und den Wachstumsabschlag einer Gesellschaft.

 

Normenkette

AktG § 327; SpruchG § 1; ZPO § 287

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 14.12.2012; Aktenzeichen 3-5 O 104/10)

 

Tenor

Auf die Beschwerden der Antragsteller zu 7) bis 12), zu 15), zu 28), zu 34) zu 42), zu 50) und 51), zu 54) bis 56), zu 59) bis 62), zu 65) sowie zu 72) bis 74) wird unter Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des LG Frankfurt am Main vom 14.12.2012 abgeändert und der Klarstellung halber unter Einbezug der Nebenentscheidungen des Beschwerdeverfahrens insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die angemessene Barabfindung gemäß § 327b Abs. 1 AktG aufgrund der Übertragung von Aktien auf den Hauptaktionär wird auf 102,37 EUR je Stückaktie der A Werke AG festgesetzt. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.

Die Kosten des erst- und zweitinstanzlichen Verfahrens einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters sowie der außergerichtlichen Kosten der Antragsteller hat die Antragsgegnerin zu tragen.

Der Geschäftswert des Verfahrens wird auf bis zu 473.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

A. Die Antragsteller waren Minderheitsaktionäre der A Werke Aktiengesellschaft in Stadt1 (im Folgenden A AG), einem börsennotierten Unternehmen, das hochwertige Feuerfestmaterialien herstellte. Die Materialien wurden vor allem in der Eisen- und Stahlindustrie aber auch der Zement- und Kalk- sowie der Glas- und Nichteisenmetallindustrie verwendet. Die Produktion der A AG erfolgte an fünfzehn Standorten in Europa, Afrika und Mittelamerika. Das Fertigungsprogramm umfasste eine Vielzahl feuerfester Werkstoffe mit einer breiten Palette von Sorten und Formaten. Vertrieben wurden die Produkte der A AG und deren Tochtergesellschaften sowohl über eigene Vertriebsnetze als auch über die Vertriebswege der Antragsgegnerin.

Das Grundkapital der A AG von 63 Mio. EUR war in 2.440.000 auf den Inhaber lautende nennwertlose Stückaktien eingeteilt. Die Aktien wurden an der Frankfurter Börse im amtlichen Markt (General Standard) und an den Börsen in Düsseldorf, München und Stuttgart im Freiverkehr gehandelt. Hauptaktionärin der Gesellschaft mit einem Anteil von 97,54 % war die Antragsgegnerin.

Seit dem 4.12.1997 bestand zwischen der A AG als beherrschtem Unternehmen und der B GmbH & Co bzw. ihrer Rechtsvorgängerin, einer (weiteren) Tochtergesellschaft der Antragsgegnerin, die damals noch in der Form einer Aktiengesellschaft bestand, als herrschender Gesellschaft ein Unternehmensvertrag. In dem isolierten Beherrschungsvertrag war für den Fall der Nichtannahme eines Abfindungsangebots von 120 DM je Aktiennennbetrag von 50 DM eine jährliche Garantiedividende von 6 DM (3,07 EUR) vorgesehen. Die Höhe der Garantiedividende war Gegenstand eines Spruchstellenverfahrens vor dem LG Frankfurt am Main, das im Jahr 1998 durch Rücknahme der Anträge beendet wurde.

Dabei war die A AG nicht zuletzt aufgrund zahlreicher Produktions- und Vertriebsverträge vollständig in den Konzern der Antragsgegnerin integriert. So bestanden seit dem Jahr 2006 für sämtliche Produktionsgesellschaften der A AG Produktionsverträge mit der Antragsgegnerin, wonach diese Gesellschaften ausschließlich im Auftrag der Antragsgegnerin produzierten. Entsprechend gab die Antragsgegnerin den Produktionsgesellschaften Art, Menge und Lieferzeitpunkt der zu produzierenden Einheiten vor. Im Gegenzug musste sie diese Produkte auch abnehmen. Die Vergütung erfolgte auf Basis der Herstellkosten zzgl. eines Gewinnaufschlags von 4 % gemäß dem vereinbarten Verrechnungspreismodell. Ferner bestanden für sämtliche Vertriebsgesellschaften der A AG mit Ausnahme der mexikanischen Vertriebsgesellschaft C Vertragshändlerverträge mit der Antragsgegnerin, wobei für die wesentlichen Vertriebsgesellschaften darüber hinaus Exklusivitätsklauseln vereinbart waren, wonach diese Gesellschaften ausschließlich Produkte der Antragsgegnerin im eigenen Namen und auf eigene Rechnung zu vertreiben hatten. Dabei stellte die Antragsgegnerin die Produkte zum Verkauf bereit. Art und Menge wurden grundsätzlich durch die Budgetplanung vorgegeben. Die Festlegun...

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