Normenkette

ZPO § 233

 

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist wird zurückgewiesen.

Die Berufung des Klägers gegen das am 27.2.2002 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt am Main wird auf seine Kosten verworfen.

 

Gründe

I. Das LG Frankfurt am Main hat durch am 27.2.2002 verkündetes Urteil die vom Kläger gegen den Beklagten erhobene Klage abgewiesen. Gegen das ihm am 19.3.2002 zugestellte Urteil hat der Kläger am 19.4.2002 Berufung eingelegt und zugleich beantragt, den Rechtsstreit bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines nach seiner Sicht vorgreiflichen Verfahrens vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main gem. § 148 ZPO auszusetzen. Die Nachricht über das Eingangsdatum der Berufungsschrift ist am 24.4.2002 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers abgesandt worden (Bl. 219 d.A.). Gemäß Verfügung vom 26.4.2002, die am gleichen Tage abgesandt wurde, wurde der Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass über den gestellten Aussetzungsantrag erst nach Ablauf der der Gegenseite gesetzten Frist zur Stellungnahme entschieden werden könne. Die Stellungnahmen der Beklagten sowie von deren Prozessbevollmächtigten zur Frage der Aussetzung des Rechtsstreits vom 10.5.2002 bzw. 16.5.2002 wurden am 21.5.2002 an den Prozessbevollmächtigten des Klägers abgesandt.

Am 23.5.2002 kündigte der Prozessbevollmächtigte des Klägers der Senatsvorsitzenden fernmündlich an, einen Wiedereinsetzungsantrag wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist stellen zu wollen. Der angekündigte Wiedereinsetzungsantrag ist am 4.6.2002 bei Gericht eingegangen (Bl. 275 ff. d.A.). Auf telefonischen Hinweis der Senatsvorsitzenden vom 5.6.2002 hat der Prozessbevollmächtigte des Klägers an diesem Tage auch die Berufungsbegründung eingereicht.

Der Kläger begründet das Wiedereinsetzungsgesuch damit, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen der berufserfahrenen und zuverlässigen Anwaltsgehilfen seines Prozessbevollmächtigten beruhe. Dieser habe am 19.4.2002 seine geschulte und zuverlässige Bürokraft, Herrn S., angewiesen, die Berufungsbegründungsfrist als Endfrist auf dem 21.5.2002 (weil 2 Monate nach der Zustellung des Urteils am 19.3.2002, also am 19.5.2002, Sonntag gewesen sei und am 21.5.2002 Pfingstmontag gewesen sei) sowie als Vorfrist auf den 14.5.2002 im Fristenkalender zu notieren. Der Mitarbeiter S., dem die Führung des Fristenkalenders und die Kontrolle der Fristen obliege, habe jedoch weisungswidrig die Endfrist auf den 20.5.2002 und die Vorfrist auf den 13.5.2002 im Fristenkalender eingetragen. Am 13.5.2002 – dem Datum der im Fristenkalender eingetragenen Vorfrist – sei die Handakte dem Prozessbevollmächtigten des Klägers von der hierfür zuständigen Bürokraft W. nicht vorgelegt worden. Die Vorfrist sei im Fristenkalender als erledigt abgehakt worden. Am 21.5.2002 – Dienstag nach Pfingsten – habe der Büromitarbeiter S. nicht bemerkt, dass die von ihm unter dem 20.5.2002 eingetragene Endfrist nicht gelöscht worden sei. Der Fristablauf sei erst am Donnerstag, den 23.5.2002 bemerkt worden, als die Sache im normalen Geschäftslauf bearbeitet werden sollte. Das Büropersonal des Prozessbevollmächtigten sei jahrelang ständig geschult und überwacht worden.

Zur Glaubhaftmachung bezieht sich der Kläger auf eidesstattliche Versicherungen seines Prozessbevollmächtigten sowie dessen Büromitarbeitern S. und W. (Bl. 285–290 d.A.).

II. Der Wiedereinsetzungsantrag ist nicht begründet. Dem Kläger kann eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung nicht gewährt werden, da seinen Prozessbevollmächtigten an der Fristversäumung ein Verschulden trifft, das sich der Kläger gem. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss.

Zwar kann ein Rechtsanwalt minder bedeutsame Aufgaben, z.B. das Führen eines Fristenkalenders, seinen gut ausgebildeten, als zuverlässig erprobten und sorgfältig überwachten Büroangestellten überlassen. Ist die Fristversäumung dann allein auf das Verschulden eines Anwaltsgehilfen zurückzuführen, ist das für die Partei als unverschuldet i.S.v. § 233 ZPO anzusehen. Ergibt sich in einem Anwaltsbüro dagegen eine auffällige Häufung von Mängeln im Zusammenhang mit der Wahrung einer Rechtsmittelbegründungsfrist, so rechtfertigen sich hieraus entweder Bedenken gegen die ordnungsmäßige Ausbildung und Überwachung des Personals oder Schlüsse auf die Unvollständigkeit der organisatorischen Anweisungen des Anwalts (BGH, Beschl. v. 18.12.1997 – III ZB 41/97, BGHReport ZPO § 233 – Büropersonal 11; Beschl. v. 19.6.1996 – XII ZR 279/95, BGHReport ZPO § 233 – Büropersonal 9; v. 20.12.1984 – III ZB 37/84, VersR 1985, 270). Solche Bedenken bestehen auch hier und sind durch den vorgetragenen Geschehensablauf nicht ausgeräumt.

Ein erheblicher Fehler bei der Behandlung der Angelegenheit besteht darin, dass der Büromitarbeiter S. weisungswidrig die Endfrist für die Berufungsbegründung auf den 20.5.2002 (der...

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