Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum Schutz durch § 122 ZPO bei Übernahme der Kostenlast durch Vergleich (Gerichtskosten können nicht geltend gemacht werden, wenn auch dem Prozessgegner ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt ist und Kostenaufhebung vereinbart ist)
Leitsatz (amtlich)
Eine Partei, der ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt ist und die in einem Vergleich die Verpflichtung, Kosten zu tragen, übernimmt, ist von § 122 Abs. 1 Ziff. 1a) ZPO geschützt, wenn auch dem Prozessgegner ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt ist und die Parteien im Vergleich vereinbart haben, dass die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufgehoben werden.
Normenkette
GKG § 29 Nr. 2, § 31 Abs. 3; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 24.06.2011; Aktenzeichen 2-13 O 317/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Bezirksrevisors v. 30.3.2011 gegen den Abhilfebeschluss des LG Frankfurt am Main v. 24.6.2011 wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Parteien haben vor dem LG Frankfurt am Main gestritten. Durch Beschlüsse v. 5.2.2009 und 3.11.2009 ist beiden Parteien unter jeweiliger Beiordnung eines Rechtsanwalts ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden. Im Verhandlungstermin v. 16.12.2009 (Protokoll Bl. 163f d.A.) haben die Parteien den Rechtsstreit durch einen Vergleich beendet, der eine Kostenaufhebung vorsieht. Unter dem 3.3.2011 ist die Beklagte betreffend die Gerichtskosten des Verfahrens von der Gerichtskasse mit dem Betrag von EUR 1.063,28 belastet worden (Vorblatt II d.A.). Die Beklagte hat Erinnerung eingelegt, der durch den Einzelrichter des LG mit Beschl. v. 24.6.2011 unter Aufhebung der Kostenrechnung abgeholfen worden ist (Bl. 210 ff d. A). Gegen diese Erinnerungsentscheidung hat der Bezirksrevisor für die Staatskasse Beschwerde eingelegt. Der Einzelrichter des LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Akte vorgelegt (Beschluss v. 20.7.2011, Bl. 213 R d.A.).
II.1. Die Beschwerde ist nach § 66 II GKG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
2. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg, denn zutreffend ist das LG davon ausgegangen, dass die gegen die Beklagte gerichtete Gerichtskostenrechnung v. 3.3.2011 zu Unrecht erstellt worden ist.
2.1 Zwar ist die Beklagte infolge der im Vergleich v. 16.12.2009 vereinbarten Kostenaufhebung grds. nach § 29 Ziff. 2 GKG 'Übernahmeschuldner' der hälftigen Gerichtskosten geworden.
2.2 Die Gewährung von Prozesskostenhilfe bewirkt jedoch nach § 122 I Ziff. 1a ZPO, dass die Gerichtskosten gegenüber der Beklagten nur nach Maßgabe gerichtlicher Anordnung, insbesondere des Bewilligungsbeschlusses, geltend gemacht werden können. Da vorliegend eine (ratenweise) Zahlung der Gerichtskosten durch die Beklagte nicht angeordnet worden ist, kann deren Ausgleich von der Beklagten nicht gefordert werden.
2.3 § 122 I Ziff. 1a ZPO findet auch in der vorliegenden Fallgestaltung zu Gunsten der Beklagten Anwendung.
a) Allerdings besteht im Falle eines Vergleichs grds. die Gefahr, dass die Parteien eine im Ergebnis für die Staatskasse nachteilige Kostenfolge vereinbaren - so dass es grds. für sachgerecht zu halten ist, § 122 I Ziff. 1a ZPO nur auf den so genannten Entscheidungsschuldner (§ 29 ZIff. 1 GKG), nicht aber auf den Übernahmeschuldner (§ 29 Ziff. 2 GKG) anzuwenden (s. die [Einzelrichter]entscheidungen des Senats: OLG Frankfurt a. M, NJW 2011, 2147 und OLG Frankfurt a. M, Az. 18 W 226/10, Volltext bei juris). Für diese Betrachtungsweise spricht nicht nur die Interessenlage, sondern auch die im Rechtsgedanken heranzuziehende Regelung des § 31 III GKG (= § 58 III GKG a.F.): Die Vorschrift bezweckt den Schutz der bedürftigen Partei, die gem. § 123 ZPO auch bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe dem Kostenerstattungsanspruch des Gegners ausgesetzt ist. Um diese Inanspruchnahme bezüglich der Gerichtskosten zu verhindern, bestimmt § 31 III GKG, dass die Gerichtskostenhaftung der vermögenden Partei nicht geltend gemacht werden darf und von dieser bereits erhobene Kosten zurückerstattet werden müssen. Dabei ist der Anwendungsbereich der Vorschrift ausdrückl. auf den Entscheidungsschuldner beschränkt, so dass der Übernahmeschuldner nicht geschützt wird.
b) In Abweichung von der zu a) skizzierten Auffassung wird im Hinblick darauf, dass der Anwendungsbereich des § 122 I ZPO - anders, als § 31 III GKG - im Wortlaut gerade nicht auf den Entscheidungsschuldner beschr. ist, die Auffassung vertreten werden, die Vorschrift des § 122 I ZPO finde auch auf den Übernahmeschuldner Anwendung (s. OLG Stuttgart, Az.: 11 UF 127/10, Volltext bei juris).
c) Der Senat hält die von ihm vertretene Auffassung nach wie vor für zutreffend (oben a) - ohne dass dies in der vorliegenden Konstellation für die Entsch. von Bedeutung ist. Denn in jedem Falle besteht für eine Heranziehung des in § 31 III GKG zum Ausdruck gelangten Rechtsgedankens dann keine Veranlassung, wenn, wie vorliegend, beiden vergleichsschließenden Parteien ratenfreie Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. In einer solchen Konstell...