Entscheidungsstichwort (Thema)
Eilverfahren: Sofortiges Anerkenntnis mit der Kostenfolge des § 93 ZPO trotz Sequestrationsantrages
Leitsatz (amtlich)
1. Die vor Einreichung eines Eilantrages in der Regel erforderliche Abmahnung ist entbehrlich, wenn neben anderen Ansprüchen auch ein Sequestrationsantrag gestellt wird.
2. Wird in derartigen Fällen dem Eilantrag durch Beschlussverfügung ohne Anhörung entsprochen, ist dies zwangsläufig mit einer Kostenentscheidung zu Lasten der Antragsgegnerin verbunden. Wird gegen den Beschluss lediglich Kostenwiderspruch eingelegt, kann die sachliche Berechtigung des Sequestrationsanspruchs nicht mehr überprüft werden.
3. Ein solcher Ausnahmefall liegt jedoch ncht vor, wenn das Landgericht aufgrund der Umstände des Einzelfalls das Sicherungsinteresse der Antragstellerin nicht für gegeben hält und daher den Schuldner vor Erlass der einstweiligen Verfügung anhört und dieser daraufhin die Eilanträge anerkennt. Dem so erklärten Anerkenntnis, das gleichzeitig mit dem Antrag verbunden wird, der Antragstellerin nach § 93 ZPO die Kosten aufzuerlegen, kann nicht die Erklärung beigemessen werden, es werde auch die Berechtigung der Sequestrationsanordnung anerkannt.
4. Im Beschwedeverfahren ist es dem Beschwerdegericht nicht verwehrt, die sachliche Berechtigung der Sequestrationsanordnung zu überprüfen. Um der Gefahr einer rechtsmissbräuchlichen Geltendmachung des Sequestrationsanspruchs - insbesondere zur Umgehung der Anhörung des Gegners - zu begegnen, ist eine Prüfung notwendig, ob ein schützenswertes Sicherungsinteresse für die Sequestration tatsächlich bestand.
Normenkette
ZPO § 93
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 08.11.2021; Aktenzeichen 2-6 O 266/21) |
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Das Anerkenntnisurteil des Landgerichts vom 8.11.2021 wird im allein angegriffenen Kostenpunkt abgeändert. Die Antragstellerin hat die Kosten des Eilverfahrens einschließlich derjenigen des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Beschwerdewert entspricht dem Kosteninteresse der Antragsgegnerin.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Kosten eines einstweiligen Verfügungsverfahrens.
Die Antragstellerin beantragte gegen die Antragsgegnerin den Erlass einer einstweiligen Verfügung wegen Markenverletzung, wobei sie Unterlassung (I.), Auskunft (II.) und Herausgabe der betreffenden Gegenstände an einen Gerichtsvollzieher zum Zweck der Vernichtung (III.) begehrte. Sie mahnte die Antragsgegnerin vor Einreichung der Antragsschrift nicht ab.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 30.9.2021 die schriftliche Anhörung der Antragsgegnerin angeordnet. Mit Schriftsatz vom 7.10.2021 hat die Antragsgegnerin die einstweilige Verfügung im Hinblick auf die Anträge zu I. - III. anerkannt. Gleichzeitig hat sie beantragt, der Antragstellerin gemäß § 93 ZPO die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Daraufhin hat das Landgericht die einstweilige Verfügung mit Anerkenntnisurteil vom 8.11.2021 erlassen. Die Kosten des Verfahrens hat es der Antragsgegnerin auferlegt. Gegen diese Beurteilung wendet sich die Antragsgegnerin mit der sofortigen Beschwerde.
II. Die nach § 99 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Landgericht hat zu Unrecht der Antragsgegnerin die Kosten des Eilverfahrens auferlegt. Es liegt ein sofortiges Anerkenntnis im Sinne von § 93 ZPO vor.
a) Nach § 93 ZPO fallen die Kosten einer Klage dem Kläger zur Last, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Nach diesem Rechtsgedanken, der auch auf das Eilverfahren anzuwenden ist (Zöller/Herget ZPO, 33. Auflage, § 93 Rn. 2), muss die Antragstellerin nach einem sofortigen Anerkenntnis die Kosten grundsätzlich dann tragen, wenn sie die Antragsgegnerin vor Beantragung der einstweiligen Verfügung wegen des beanstandeten Verhaltens nicht abgemahnt hat. Denn Veranlassung zu einem gerichtlichen Vorgehen gibt grundsätzlich nur derjenige, der dem Begehren außergerichtlich nicht nachkommt.
b) Anders kann die Lage zu beurteilen sein, wenn eine Abmahnung aufgrund des Sicherungsinteresses des Gläubigers nicht zumutbar ist. Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats (vgl. Beschluss vom 14.4.2020 - 6 W 31/20 = WRP 2020, 914; vom 9.7.2015 - 6 W 59/15; vom 24.10.2005 - 6 W 149/05 = GRUR 2006, 264) ist die vor Einreichung eines Eilantrages im Kosteninteresse des Antragsgegners in der Regel erforderliche Abmahnung grundsätzlich entbehrlich, wenn neben anderen Ansprüchen mit dem Eilantrag auch ein auf die Sicherung eines Vernichtungsanspruchs gerichteter Sequestrationsantrag (Herausgabe von Verletzungsgegenständen an den Gerichtsvollzieher) gestellt wird. Eine solche Abmahnung liefe dem Zweck der Sequestrationsanordnung zuwider, da sie dem Antragsgegner Zeit und Gelegenheit gäbe, diejenigen Maßnahmen zur Beiseiteschaffung der Verletzungsgegenstände zu ergreifen, die mit der einstweiligen Verfügung gerade unterbunden werden sollen.
aa) In solchen Fällen ...