Entscheidungsstichwort (Thema)

Preisgestaltung von Wasserversorgungsunternehmen: Vergleichbarkeit von Wasserversorgungsunternehmen; Darlegungs- und Beweislast des Wasserversorgungsunternehmens hinsichtlich "abweichender Umstände" im Zusammenhang mit einer Preissenkungsverfügung durch die Landeskartellbehörde

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Wirksamkeit einer Unterlassungsverfügung der Landeskartellbehörde Hessen gegen den Wasserversorger der Stadt Wetzlar wegen zu hoher Wasserpreise.

 

Normenkette

GWB §§ 22, 32, 103

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 02.02.2010; Aktenzeichen KVR 66/08)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin wird die Verfügung der Beschwerdegegnerin vom 9.5.2007 (III 2A-78K 20/01-556-06) zu Ziff. 4 des Verfügungstenors aufgehoben.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Landeskartellbehörde zu tragen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

A. Die Beschwerdeführerin beliefert in der Stadt Wetzlar Kunden mit Trinkwasser.

Mit Verfügung vom 9.5.2007 hat die Beschwerdegegnerin als Landeskartellbehörde (nachfolgend: Landeskartellbehörde) der Beschwerdeführerin für die Zeit bis zum 31.12.2008 untersagt, für die Lieferung von Trinkwasser im Typfall 1 (Jahresverbrauch 150 m3, Wasserzähler bis 5 m3/h) mehr als 1,66 EUR/m3 und im Typfall 2 (Jahresverbrauch 400 m3, Wasserzähler bis 5 m3/h) mehr als 1,48 EUR/m3 zu verlangen und einen Missbrauch der Beschwerdeführerin gem. §§ 32 Abs. 3, 131 Abs. 6 GWB i.V.m. § 103 Abs. 5 S. 1 Nr. 1, S. 2 Nr. 2 GWB a.F. rückwirkend für die Zeit ab dem 1.7.2005 festgestellt.

Die auf § 103 Abs. 6 GWB a.F. gestützte Verfügung hat die Landeskartellbehörde wie folgt begründet:

Die Beschwerdeführerin verlangt von ihren Haushalts- und Kleingewerbekunden seit 1.1.2003 einen Arbeitspreis von 2,09 EUR/m3 und einen jährlichen Grundpreis von 64,20 EUR. Abzüglich der Mehrwertsteuer von 7 % beträgt der Nettoarbeitspreis 1,95 EUR/m3 und der Nettogrundpreis 60 EUR. Daraus ergibt sich für den Typfall 1 ein Preis von 2,35 EUR/m3 (1,95 EUR/m3 × 150 m3 = 292,50 EUR + 60 EUR = 352,50 EUR/150 m3 = 2,35 EUR/m3) und für den Typfall 2 ein Preis von 2,10 EUR/m3 (1,95 EUR/m3 × 400 m3 = 780 EUR + 60 EUR = 840 EUR/400 m3 = 2,10 EUR/m3).

Den Preis von 2,35 EUR/m3 bzw. 2,10 EUR/m3 hat die Landeskartellbehörde mit den wettbewerbsanalogen Preisen von achtzehn Wasserversorgern verglichen, wobei sie Unterschiede bei der Höhe der Konzessionsabgaben, bei den Beschaffungskosten und nach dem Verhältnis der Versorgungsdichtekennwerte bei den Verteilungs- und Speicherkosten durch eine Zu- und Abschlagsrechnung berücksichtigt hat (Anlage 8 zur Verfügung v. 9.5.2007). Nach dieser Berechnung übersteigen die Preise der Beschwerdeführerin die Preise der Vergleichsunternehmen um 58,9 % bis 17 %. Danach hat die Landeskartellbehörde ihre Preissenkungsverfügung auf den teuersten wettbewerbsanalogen Preis des im Mittelfeld platzierten Versorgungswerkes O1 ausgerichtet, was einem mittleren Wert von 29,4 % entspricht, und der Beschwerdeführerin im Typfall 1 höhere Preise als 1,66 EUR/m3 (Abzug 29,4 % von 2,35 EUR/m3) und im Typfall 2 höhere Preis als 1,48 EUR/m3 (Abzug 29,4 % von 2,10 EUR/m3) untersagt.

Die Landeskartellbehörde hält die für den Preisvergleich herangezogenen Versorgungsunternehmen für gleichartig i.S.v. § 103 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 GWB a.F., weil deren unternehmerische Tätigkeit ebenfalls die Belieferung von letztverbrauchenden Haushalts- und Kleingewerbekunden mit Trinkwasser des täglichen unverzichtbaren Bedarfs als Massengeschäft sei (Verfügung, Rz. 31). Zusätzlich hat die Landeskartellbehörde auf die Versorgungsdichte (Menge des gelieferten Wassers pro Meter des Leitungsnetzes), die Abnehmerdichte (Länge des Leitungsnetzes in Metern pro Hausanschluss), die nutzbare Wasserabgabe, die Abgabestruktur, die Gesamterträge Wasser und die Zahl der versorgten Einwohner abgestellt, um die Gleichartigkeit zu begründen (Verfügung, Rz. 30, 53 bis 75, Anlage 3).

Die Konzessionsabgabenzahlungen der Beschwerdeführerin hat die Landeskartellbehörde nicht als ungünstigere Preise rechtfertigenden Umstand i.S.v. § 103 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 GWB a.F. anerkannt, aber durch einen Zu- oder Abschlag in anteiliger Höhe des Vergleichspreises berücksichtigt (Verfügung, Rz. 89).

Bei den Wasserbeschaffungskosten hat die Landeskartellbehörde zwar ein wirtschaftlich nicht optimiertes Verhältnis von Fremdbezug und Eigengewinnung angenommen, aber für ihre Zu- und Abschlagsrechnung auf die von der Beschwerdeführerin angegebenen Kosten abgestellt und hieraus die "spezifischen Beschaffungskosten" errechnet (Verfügung, Rz. 111 - Anlage 8).

Mehrkosten für die Überwindung der Höhenunterschiede im Versorgungsgebiet bzw. für die Unterhaltung der entsprechenden Druckzonen, hat die Landeskartellbehörde zwar grundsätzlich als rechtfertigend i.S.v. § 103 Abs. 5 S. 2 Nr. 2 GWB a.F. angesehen, jedoch gemeint, die Beschwerdeführerin habe es versäumt zu erläu...

Dieser Inhalt ist unter anderem im VerwalterPraxis Gold enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge