Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordre-public-Verstoß durch Gehörsverletzung
Normenkette
GG Art. 103 Abs. 1; ZPO §§ 1042, 1059
Tenor
Der Antrag, den in dem Schiedsverfahren zwischen den Parteien durch das Schiedsgericht, bestehend aus der Einzelschiedsrichterin A, am 8. Februar 2022 ergangenen Schiedsspruch, berichtigt durch "Addendum" vom 21. April 2022, insoweit aufzuheben, als
1. die Klage der Antragstellerin auf Rückzahlung der Kaufpreise für noch bei ihr gelagerte Produkte sowie Zahlung von Transportkosten durch die Antragsgegnerin Zug-um-Zug gegen Rücksendung der Produkte nebst Zinsen abgewiesen wurde,
2. die Antragstellerin verurteilt wurde, an die Antragsgegnerin offene Rechnungen in Höhe von 101.725,00 EUR nebst Zinsen zu bezahlen,
3. die Klage der Antragstellerin auf Zahlung des die offenen Rechnungen in Höhe von 101.725,00 EUR überschießenden Betrages in Höhe von 12.187,50 EUR aus einer Gutschrift in Höhe von 113.940,00 EUR nebst Zinsen abgewiesen wurde,
4. die Antragstellerin verurteilt wurde, an die Antragsgegnerin 150.475,65 EUR Rechtsanwaltskosten und Auslagen nebst Zinsen sowie den Betrag von 30.000,00 US-Dollar verauslagter Verwaltungskosten der ICC sowie Schiedsrichtergebühren und -auslagen zu bezahlen,
wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Gegenstandswert des Verfahrens wird auf 681.433,50 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die teilweise Aufhebung eines inländischen Schiedsspruchs, mit dem ihre Zahlungsanträge abgewiesen und sie auf eine von der Antragsgegnerin erhobene Widerklage zur Zahlung von 101.725,00 EUR nebst Zinsen verurteilt worden ist.
Die Antragstellerin ist eine rechtsfähige Gesellschaft mit Sitz und Verwaltung in Seoul, Südkorea.
Die Antragsgegnerin ist die einzige deutsche Herstellerin von Brustimplantaten und anderen Weichteil-Implantaten aus Silikon.
Zwischen den Parteien bestand aufgrund einer am 14.03.2011 geschlossenen englischsprachigen Vertriebsvereinbarung ("Distributorship Agreement") eine Geschäftsbeziehung, in deren Rahmen die Antragstellerin die Produkte der Antragsgegnerin als lokale Vertriebspartnerin der Antragsgegnerin für Südkorea auf eigene Rechnung vertrieb, indem sie die Produkte zu diskontierten Konditionen ankaufte und auf dem südkoreanischen Markt weiterverkaufte.
Die Vertriebsvereinbarung (Anlage A 1) enthielt in Art. 2 Abs. 3 Ziff. 4 eine Regelung, nach der die Antragstellerin verpflichtet war, dauerhaft 5.500 Standardprodukte (Implantate) auf eigene Kosten auf Lager zu halten, um die rasche Belieferung von Kunden zu gewährleisten.
Art. 5 Abs. 6 der Vereinbarung lautete wie folgt:
"Im Falle der Beendigung dieses Vertrages ist X (die Antragsgegnerin) berechtigt, aber nicht verpflichtet, die nicht verkauften Lagerprodukte zu dem Y (der Antragstellerin) in Rechnung gestellten Preis, höchstens jedoch zu ihrem Zeitwert, zurückzunehmen."
Das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien endete aufgrund einer ordentlichen Kündigung der Antragsgegnerin vom 17.12.2018 am 31.03.2019.
Die Antragstellerin leitete aufgrund der Schiedsklausel in Art. 7 Abs. 2 der Vertriebsvereinbarung gegen die Antragsgegnerin ein nach den Regeln der International Chamber of Commerce (ICC), Paris, geführtes Schiedsverfahren am Schiedsort Stadt1 ein.
Mit ihrer Schiedsklage begehrte die Antragstellerin u.a. eine Verurteilung der Antragsgegnerin zur Rückzahlung der Kaufpreise für noch bei ihr gelagerte Produkte der Antragsgegnerin nebst Zahlung von Transportkosten Zug um Zug gegen Rücksendung der Produkte. Die Antragsgegnerin begehrte im Wege der Widerklage eine Verurteilung der Antragstellerin zur Zahlung offener Rechnungen in Höhe von insgesamt 101.725,00 EUR.
Dem Schiedsverfahren lag ein Schiedsauftrag der Parteien (Anlage SNP 1) zugrunde, mit dem die Parteien u.a. vereinbarten, dass die Einzelschiedsrichterin Verfahrensanordnungen ("procedural orders") treffen könne.
Die Parteien regelten den Zeitplan für das Schiedsverfahren in einem Verfahrenskalender vom 13.05.2020 (Anlage SNP 2) und einem weiteren Verfahrenskalender (Anlage SNP 3) vom 15.02.2021.
Die Einzelschiedsrichterin erließ eine Verfahrensanordnung Nr. 1 vom 13.05.2020 (Anlage A 9), auf die anstelle einer Darstellung der Einzelheiten Bezug genommen wird. Die Anordnung enthielt insbesondere Regelungen zu den Anforderungen an schriftliche Zeugenaussagen sowie die Festlegung, dass die Parteien nach einem einvernehmlich vereinbarten Stichtag - der von den Parteien auf den 12.07.2021 festgelegt wurde - nicht mehr berechtigt sein sollten, neue Tatsachenbehauptungen vorzubringen oder neue Beweise vorzulegen.
Das Schiedsgericht führte am 09.08.2021 per Videokonferenz eine mündliche Verhandlung und Beweisaufnahme durch, bei der der Geschäftsführer-Gesellschafter der Antragstellerin Z als Zeuge vernommen wurde. Über die Verhandlung wurde ein in englischer Sprache verfasstes Wortprotokoll (Anlage A 3) geführt, auf das Bezug genommen wird.
Die Parteien machten nach der Beweisaufnahme jeweils vo...