Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwert: Streitwerterhöhung durch Anlagezinsen
Leitsatz (amtlich)
Entgangene Anlagezinsen sind keine Nebenforderungen i.S.v. § 43 GKG.
Normenkette
GKG § 43; ZPO § 4
Verfahrensgang
Tenor
Auf die als Gegenvorstellung zu behandelnde Beschwerde der Beklagten wird der Streitwertbeschluss des Senats vom 11.5.2011 dahin abgeändert, dass der Streitwert des Berufungsverfahrens wie folgt festgesetzt wird:
Im Übrigen wird die Gegenvorstellung der Beklagten zurückgewiesen.
Gründe
I. Mit dem angegriffenen Beschluss hat der Senat den Streitwert für das Berufungsverfahren auf insgesamt 46.090,84 EUR festgesetzt, wobei hierin auch die mit dem Klageantrag zu 1a) geltend gemachten entgangenen Anlagezinsen enthalten waren. Gegen die Berücksichtigung der entgangenen Anlagezinsen bei der Streitwertfestsetzung wendet sich die Beklagte mit ihrem Rechtsbehelf.
Der als Beschwerde eingelegte Rechtsbehelf ist unzulässig, weil gegen die Wertfestsetzung durch das OLG gem. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG eine Beschwerde zum BGH nicht statthaft ist. Sie ist deshalb als Gegenvorstellung auszulegen.
II. Die Gegenvorstellung hat im tenorierten Umfang Erfolg. Im Übrigen war sie zurückzuweisen.
Unbegründet ist die Gegenvorstellung, soweit sie sich gegen die streitwerterhöhende Berücksichtigung der (mit verdeckten Hilfsantrag) geltend gemachten Anlagezinsen für die Zeit ab 16.12.2008 richtet. Die entgangenen Anlagezinsen waren - soweit eine Entscheidung über sie erging - bei der Streitwertfestsetzung zu berücksichtigen, weil es sich bei ihnen gerade nicht um Nebenforderungen handelt, sondern um eine eigenständige, streitwertmäßig anzurechnende Schadensposition.
Der erkennende Senat teilt die vom 1. Zivilsenat im Beschluss vom 7.6.2010 geäußerten Zweifel daran, ob die - an die anderweitig mögliche Kapitalnutzung anknüpfenden - entgangenen Anlagezinsen überhaupt dem Zinsbegriff der §§ 43 Abs. 1 GKG, 4 Abs. 1, 2. Halbsatz, ZPO unterfallen (OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.6.2010 - 1 W 30/10 - BKR 2010, 391 ff, zit. nach juris, Rz. 6). Für die Beklagtenseite spricht jedoch, dass der BGH die von ihm im Beschluss vom 25.3.1998 (VIII ZR 298/97, NJW 1998, 2060 ff., zit. nach juris, Rz. 9) niedergelegte Definition, "Zinsen" im Rechtssinne seien - jedenfalls auch - das Entgelt für die Nutzung oder die Möglichkeit der Nutzung eines Kapitals, ausdrücklich nicht abschließend formuliert hat.
Die Begriffsbestimmung kann dahin stehen, weil entgangene Anlagezinsen jedenfalls keine "Nebenforderungen" sind. Zutreffend hat der 1. Zivilsenat (OLG Frankfurt, Beschl. v. 7.6.2010 - 1 W 30/10 - BKR 2010, 391 ff, zit. nach juris, Rz. 7) das Wesen einer Nebenforderung unter Hinweis auf zahlreiche Entscheidungen anderer Obergerichte darin gesehen, dass sie sachlich-rechtlich vom Bestehen einer Hauptforderung abhängig ist; sind die Forderungen dagegen nach materiellem Recht gleichrangig, so ist keine von ihnen eine Nebenforderung. Die Forderung auf Rückzahlung der Einlage und die Forderung auf Ausgleich des anderweitig entgangenen Anlagezinses sind gleichwertige Berechnungsposten des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs. Letztere hängt nicht vom Bestand der ersteren ab, sondern beide haben ihren gemeinsamen Grund in dem der Rechtsvorgängerin der Beklagten zur Last gelegten Beratungsverschulden. Die Erstattung entgangener Anlagezinsen kann - bei entsprechender Sachverhaltsgestaltung - ungeachtet des Umstandes verlangt werden, ob der fehlerhaft beratene Anleger die Rückabwicklung des Kapitalanlagegeschäfts begehrt oder die Kapitalanlage behält.
Soweit der 19. Zivilsenat des OLG Frankfurt demgegenüber mit Beschluss vom 3.9.2010 (19 W 46/10, zit. nach juris, Rz. 6) das erforderliche Abhängigkeitsverhältnis zwischen der auf Rückzahlung des investierten Kapitals gerichteten Hauptforderung (dortiger Klageantrag 1, der zudem noch Verzugszinsen umfasste) und der Forderung auf Erstattung der anderweitig erzielbarer Anlagezinsen (dortiger Klageantrag 2) bejaht hat, vermag ihm der erkennende Senat selbst unter Berücksichtigung des Beschlusses des BGH vom 24.6.2010 (III ZR 145/09) nicht zu folgen. Denn der dem Beschluss des BGH vom 24.6.2010 zugrunde liegende Prozessverlauf zeichnet sich gerade dadurch aus, dass die (dortige) Klägerin für den gleichen Zeitraum Verzugszinsen und Anlagezinsen gefordert hat. Erläuternd hat der BGH ausgeführt, (nur) ein gegebenenfalls über den im Zahlungsantrag enthaltenen Verzugszinssatz hinausgehender Anlagezins wäre im Umfang der Differenz als eigenständige Schadensposition streitwertmäßig anzurechnen (BGH, Beschl. v. 24.6.2010 - III ZR 145/09 - zit. nach j...