Entscheidungsstichwort (Thema)

Verkehrsordnungswidrigkeit

 

Verfahrensgang

AG Gießen (Urteil vom 22.08.2001; Aktenzeichen 52/13 201 Js-OWi 4621/01)

 

Tenor

Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch aufgehoben.

Gegen den Betroffenen wird eine Geldbuße von 250,– DM verhängt. Ihm wird ferner untersagt, für die Dauer eines Monats Kraftfahrzeuge jeder Art. im Straßenverkehr zu führen.

Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Rechtskraft dieses Beschlusses (23. Oktober 2001).

Der Betroffene hat die Kosten der Rechtsbeschwerde einschließlich seiner notwendigen Auslagen zu tragen.

Zusätzlich angewendete Vorschrift: § 25 StVG.

 

Tatbestand

I.

Das Amtsgericht Gießen hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässigen Nichtbeachtens des Rotlichts einer Lichtzeichenanlage eine Geldbuße von 500,– DM festgesetzt. Die Staatsanwaltschaft Gießen erhebt mit ihrer Rechtsbeschwerde die Sachrüge und wendet sich ausschließlich gegen die Nichtverhängung eines Fahrverbots. Das von der Staatsanwaltschaft beim Oberlandesgericht Frankfurt am Main vertretene Rechtsmittel hat Erfolg.

 

Entscheidungsgründe

II.

Nach den Feststellungen des Amtsgerichts hat der Betroffene als Führer des PKW Smart mit dem amtlichen Kennzeichen … am 28. Oktober 2000 gegen 16.15 Uhr an der Kreuzung … in … das Rotlicht einer Lichtzeichenanlage nicht beachtet und dadurch einen Verkehrsunfall verursacht. Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, er sei in Gedanken gewesen, da er gerade von der Beerdigung einer ihm sehr nahe stehenden Person gekommen sei und infolge des gerade Erlebten nicht die nötige Aufmerksamkeit habe walten lassen. Zudem sei er zur Tatzeit mit den technischen Besonderheiten des PKW Smart, den er erst seit einer Woche fahre, nicht vertraut gewesen, was seine Aufmerksamkeit zusätzlich abgelenkt habe.

Das Amtsgericht hat die Nichtverhängung eines Fahrverbots wie folgt begründet:

„Im vorliegenden Fall stellte sich der Rotlichtverstoß des Betroffenen nach dessen Angaben als sog. Augenblicksversagen dar. Er hatte aufgrund mangelnder Sorgfalt den Wechsel der Lichtzeichen nicht wahrgenommen, weshalb der Vorwurf einer groben Pflichtwidrigkeit im Sinne des § 25 StVG nicht anzunehmen war. Unter Berücksichtigung aller Tatumstände war im Rahmen einer Gesamtwürdigung von einem Fahrverbot abzusehen auch angesichts der Nichtvorbelastung des Betroffenen, seines Verhaltens nach dem Unfall dem Unfallgegner gegenüber und auch angesichts des Eindrucks, den der Betroffene im Rahmen der Hauptverhandlung machte. Ferner waren die vom Betroffenen geschilderten tatsächlichen Schwierigkeiten, die mit dem Antritt eines einmonatigen Fahrverbots verbunden wären, nachvollziehbar. Nach alledem schien die Verdoppelung der Geldbuße auf 500,– DM gegen Wegfall des einmonatigen Fahrverbots noch angemessen, um der Tat Rechnung zu tragen.”

III.

Die nach § 79 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 OWiG statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist ihrer Begründung nach auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt. Da die Tatsachenfeststellungen des Amtsgerichts als Grundlage für die Rechtsfolgenerwägungen ausreichen, ist die Beschränkung auch wirksam. Der Schuldspruch ist damit rechtskräftig.

Der Rechtsfolgenausspruch hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

1. Zutreffend geht das Amtsgerichts zunächst davon aus, daß die in § 2 Abs. 1 Nr. 4 BKatV i.V.m. Nr. 34.1 des Bußgeldkatalogs umschriebenen Voraussetzungen für die Anordnung eines sog. Regelfahrverbots gegeben sind. Die Erfüllung dieses Tatbestandes indiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 Abs. 1 S. 1 StVG, der zugleich ein derart hohes Maß an Verantwortungslosigkeit im Straßenverkehr offenbart, daß es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbots bedarf (vgl. BGHSt 38, 125, 134). Die Regelungen des § 2 Abs. 1, 2 BKatV sind verfassungsgemäß (vgl. BVerfG NJW 1996, 1809).

2. Die Voraussetzungen für einen Ausnahmefall von dem Fahrverbot sind nach dem festgestellten Sachverhalt nicht gegeben.

a) Anhaltspunkte für eine Minderung des sog. Erfolgsunwerts bestehen nicht. Nach den Feststellungen des Amtsgerichts entstand an beiden unfallbeteiligten Fahrzeugen Sachschaden. Außerdem ist die Zeugin Wolf sogar leicht verletzt worden.

b) Der sog. Handlungsunwert ist ebenfalls nicht gemindert. Das Vorliegen einer Katalogtat – wie hier – begründet zunächst die Vermutung, daß auch subjektiv eine grobe Pflichtverletzung vorliegt (vgl. BGH, NZV 1997, 525, 526). Ein Ausnahmefall ist nach den Feststellungen des Amtsgerichts nicht gegeben. Insbesondere handelt es sich nicht um ein sog. Augenblicksversagen, wie das Amtsgericht angenommen hat. Nach der Einlassung des Betroffenen beruhte der Rotlichtverstoß auf eingeschränkter Aufmerksamkeit wegen starker emotionaler Bewegung durch eine unmittelbar vorangegangene Beerdigung einer ihm sehr nahe stehenden Peson sowie mangelnder Vertrautheit mit den tec...

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