Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen der Berechtigung zur Weitergabe eines Produktkeys
Leitsatz (amtlich)
1. Der Bieter hat vor Einleitung des Nachprüfungsverfahrens die Rüge gegenüber der Vergabestelle ggf. auch per E-Mail oder Telefax und unter Setzung einer kurzen Prüfungsfrist auszusprechen. Dies gilt auch dann, wenn zwischen Kenntnis vom Vergabeverstoß und Zuschlagsdatum wegen eines "Brückentages" nur zwei Arbeitstage zur Verfügung stehen.
2. Wurde der Bieter wirksam ausgeschlossen, fehlt ihm auch unter dem rechtlichen Aspekt der sog. zweiten Chance die Antragsbefugnis für die Rügen, die - wären sie begründet - lediglich eine Neubewertung der Angebote oder Nachverhandlungen, nicht aber die teilweise Aufhebung des bisherigen Vergabeverfahrens erforderlich machten.
3. Führt die Vergabestelle im Anschluss an einen Architektenwettbewerb ein Verhandlungsverfahren durch, ist das Ergebnis des Architektenwettbewerbs gemäß § 8 Abs. 2 RPW 2013 bei der Gewichtung und Binnengewichtung der Auswahlkriterien zu berücksichtigen (Fortführung der Senatsrechtsprechung, Beschluss vom 11.4.2017 - 11 Verg 4/17).
Normenkette
GWB § 160 Abs. 2, 3 S. 1 Nr. 1; RPW 2013 § 8 Abs. 2
Tenor
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 1. Vergabekammer des Landes Hessen vom 21.1.2020 (AZ. 69d VK 17/2019) wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung der Antragsgegnerin notwendigen Auslagen zu tragen.
Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten seitens der Antragsgegnerin für das Beschwerdeverfahren wird für notwendig erklärt.
Der Streitwert wird auf EUR 28.187,12 festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragsgegnerin, eine städtische Gesellschaft, bei der die Stadt1 Alleingesellschafterin ist, schrieb mit Wettbewerbsbekanntmachung vom 19.12.2017 die Vergabe von Dienstleistungen von Architekturbüros bei Freianlagen betreffend die Neugestaltung des Domplatzes in Stadt1 im nichtoffenen Wettbewerb mit nachfolgendem Verhandlungsverfahren nach der VgV europaweit aus.
Nach der Bekanntmachung sollte zunächst ein Realisierungswettbewerb durchgeführt werden, wobei für den ersten bis dritten Preis Preisgelder ausgelobt wurden. Die Entscheidung sollte durch ein nach der Richtlinie für Planungswettbewerbe in der Form vom 31.1.2013 (nachfolgend "RPW 2013") besetztes Preisgericht getroffen werden (Ziff. IV.3.5 der Bekanntmachung). Nach Ziff. VI.3.3 und Ziff. VI.3.4 der Bekanntmachung sollte ein Dienstleistungsauftrag infolge des Wettbewerbs an den/die Gewinner des Wettbewerbs vergeben und die Entscheidung des Preisgerichts für den öffentlichen Auftraggeber bindend sein. In Ziff. VI.3 der Bekanntmachung heißt es, dass das Wettbewerbsergebnis bzw. die Empfehlungen des Preisgerichts zu 60% berücksichtigt werden. Die Wettbewerbsunterlagen wurden am 19.4.2018 verfügbar gemacht, nach den dortigen Wettbewerbsbedingungen lag dem Wettbewerb die RPW 2013 zugrunde.
Im anschließenden Wettbewerb vergab das Preisgericht den ersten Preis an die Antragstellerin, den zweiten Preis an die Beigeladene und den dritten Preis an einen weiteren Teilnehmer.
Die Antragsgegnerin forderte im November 2018 die drei Preisträger zur Abgabe indikativer Angebote auf und gab folgende Wertungskriterien mit Gewichtung bekannt:
Wettbewerbsergebnis (gesetzt) 60%
Stellungnahme zu den Anmerkungen des Preisgerichts /Konkretisierung 15%
Personaleinsatzkonzept 10%
Projektorganisation 10%
Honorarangebot 5%
Nach den mitgeteilten Bewertungsmodalitäten sollten nach einer Bewertungsskala pro Wertungskriterium zwischen null Punkten (schlechteste Bewertung) und bis zu fünf Punkten (beste Bewertung) vergeben werden. Aus der beigefügten Übersicht ergab sich, dass das Wettbewerbsergebnis der Antragstellerin mit 5 Punkten, mithin insgesamt 300 der 500 Gesamtpunkte, das Wettbewerbsergebnis der Beigeladenen mit 4 Punkten, mithin insgesamt 240 Punkten, und dasjenige der drittplatzierten Preisträgerin mit 3 Punkten, mithin insgesamt 180 Punkten berücksichtigt werden sollten. Jedem der Preisträger wurde zudem ein Auszug aus der Beurteilung seiner Arbeit durch das Preisgericht mit den dort enthaltenen Kritikpunkten übersandt, der Antragstellerin darüber hinaus die von dem Preisgericht mit der Empfehlung der Auftragsvergabe verbundenen Überarbeitungsempfehlungen (Bl. 339 d. Vergabeakte). Sämtliche Teilnehmer wurden informiert, dass das Honorarangebot anhand der Gesamtangebotssumme für die abgefragten Leistungen bewertet werde und in welcher Weise die Punktevergabe erfolge. Auch sollte eine grobe Kostenschätzung als Grundlage für das Honorarangebot vorgenommen werden (Bl. 329 d. Vergabeakte).
Lediglich die Antragstellerin und die Beigeladene beteiligten sich am Verhandlungsverfahren und reichten fristgerecht die Angebotsunterlagen ein. Nach Wertung der indikativen Angebote fanden am 10.1.2019 Verhandlungsgespräche statt, in denen die Teilnehmer ihre Angebote erläutern...