Leitsatz (amtlich)

1. Ein Antrag auf Verlängerung / Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung nach § 118 Abs. 1 Satz 3 GWB a.F. (§ 174 Abs. 1 Satz 3 GWB n.F.) muss nicht zwingend vor Ablauf der in § 118 Abs. 1 Satz 32 GWB a.F. genannten Frist gestellt werden. Ein nach Ablauf dieser Frist gestellter Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist jedenfalls dann zulässig, wenn zum Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung noch keine Mitteilung nach § 101a Abs. 1 GWB a.F. erfolgt war.

2. Solange ein Verhandlungsverfahren nicht abgeschlossen ist, kann es grundsätzlich auch durch weitere Angebots- und Verhandlungsrunden fortgesetzt werden, wenn die vergaberechtlichen Grundsätze von Transparenz, Wettbewerb und Gleichbehandlung eingehalten werden.

 

Normenkette

GWB § 118 Abs. 1, § 174 Abs. 1

 

Verfahrensgang

VK Hessen (Entscheidung vom 21.06.2017; Aktenzeichen 69d -VK2- 08/17)

 

Tenor

Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gegen die Entscheidung der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 21.06.2017, Az. 69d-VK2-08/2017 bis zur Entscheidung über die Beschwerde wiederherzustellen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner schrieb mit Bekanntmachung vom 24.10.2012 im Verhandlungsverfahren mit vorangegangenem Teilnahmewettbewerb den Neubau des X im Wege einer Public Private Partnership europaweit aus. Gegenstand des Beschaffungsvorhabens war der Grundstücksankauf, die Planung, Errichtung und Finanzierung des X sowie die anschließende Vermietung und Bewirtschaftung.

An dem Verfahren beteiligten sich unter anderem die Antragstellerin und die Beigeladene. Beide gaben fristgerecht bis zum 17.03.2014 ein 1. Angebot und nach einer zwischengeschalteten Verhandlungsrunde auf entsprechende Aufforderung des Antragsgegners bis zum 16.03.2015 ein 2. Angebot ab. Im Juli 2015 informierte der Antragsgegner die Antragstellerin, dass ein Mitbewerber zur Beauftragung vorgesehen sei. Der Antragsgegner führte in der Folgezeit weitere Verhandlungsgespräche mit der Beigeladenen und beabsichtigte, dieser den Zuschlag zu erteilen.

Die Antragstellerin stellte im November 2015 bei der Vergabekammer Antrag auf Durchführung eines ersten Nachprüfungsverfahren (Az. 69d VK-52/2015), u.a. mit der Begründung, dass die Projektstruktur der Beigeladenen mit einer geplanten Projektgesellschaft, an der die Beigeladene lediglich eine Minderheitsbeteiligung in Höhe von 5 % der Kommanditanteile halten sollte, nicht den Vorgaben der Auftragsbekanntmachung entspreche. Im nachfolgenden Beschwerdeverfahren vor dem Oberlandesgericht (Az. 11 Verg 9/16) gab der Senat mit Beschluss vom 12.7.2016 dem Antragsgegner auf, "bei Fortbestehen der Vergabeabsicht das Vergabeverfahren auf den Zeitpunkt vor Abgabe des 2. Angebotes zurückzuversetzen, den Bietern, die ein 2. Angebot abgegeben haben, unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Senats Gelegenheit zu geben, Teil A und B ihres 2. Angebotes zu überarbeiten, und die Angebote - unter Aufrechterhaltung der getroffenen Wertung im Hinblick auf das Kriterium "Planerische Qualität und Funktionalität" - hinsichtlich des Kriteriums "Kosten" neu zu werten."

Der Antragsgegner gab daraufhin mit Schreiben vom 11.8.2016 allen Bietern, die ein 2. Angebot abgegeben hatten, Gelegenheit zu überprüfen, ob und in welcher Gestaltung sie von der Möglichkeit einer entsprechenden punktuellen Überarbeitung des 2. Angebots Gebrauch machen wollten, und bis zum 21.9.2016 ein entsprechendes Angebot einzureichen.

Die Antragstellerin und die Beigeladene gaben fristgerecht zum 21.9.2016 überarbeitete Angebote ab. Nach der Wertung dieser Angebote war die Antragstellerin Bestbieterin.

Mit Schreiben vom 25.11.2016 teilte der Antragsgegner der Beigeladenen mit, dass nunmehr ein - namentlich nicht genannter - Mitbewerber für die Zuschlagserteilung vorgesehen sei.

Am 14.12.2016 fand zwischen dem Antragsgegner und der Antragstellerin ein erstes Gespräch in der "Endredaktionsphase" statt. Darin forderte die Antragstellerin eine verzögerungsbedingte Preisanpassung, die sie mit E-Mail vom 22.12.2016 quantifizierte.

Nachdem die Beigeladene die Entscheidung zugunsten der Antragstellerin erfolglos gerügt hatte, beantragte sie am 30.12.2016 ihrerseits die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens, zu dem die hiesige Antragstellerin beigeladen wurde (Az. 69d VK-60/2016). In der mündlichen Verhandlung vom 2.2.2017 schlug die Vergabekammer den Beteiligten eine Einigung dahingehend vor, dass Nachtragsforderungen des künftigen Auftragnehmers analog § 2 Abs. 5 VOB/B dem Wettbewerb unterzogen und damit abschließend geregelt werden sollten. Dem stimmte die hiesige Antragstellerin nicht zu mit der Begründung, dass dies dem Beschluss des Senats vom 12.7.2016 widerspreche.

Nach einer entsprechenden Vorankündigung vom 21.2.2017 forderte der Antragsgegner die verbliebenen Bieter mit Schreiben vom 08.03.2017 auf, ihr Angebot bis zum 12.04.2017 preislich zu überarbeiten. In der entsprechenden Aufforderung zur Angebotsabgabe (im Folg...

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