Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung Sachverständiger wegen Interessenskonflikt durch Erstattung Vorgutachten
Normenkette
ZPO §§ 42, 406
Verfahrensgang
LG Marburg (Entscheidung vom 20.02.2018; Aktenzeichen 1 O 75/17) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Marburg vom 20. Februar 2018 abgeändert.
Das Ablehnungsgesuch des Beklagten gegen den Sachverständigen A wird für begründet erklärt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von dem Beklagten die Erstattung ärztlicher Behandlungskosten aus der Rechnung vom 8.11.2016 (Bd. I Bl. 13 bis 15 d.A.).
Die Parteien streiten darüber, ob die dort berechnete intensitätsmodulierte Strahlentherapie (IMRT) medizinisch notwendig gewesen und die Abrechnung jeder Bestrahlungssitzung analog Ziffer 5855 der GOÄ für 39 Fraktionen gerechtfertigt ist.
Das Landgericht hat mit Beschluss vom 29.8.2017 (Bd. I Bl. 171 f. d.A.) die Beweiserhebung durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens zur medizinischen Notwendigkeit der Behandlung sowie der GOÄ-Konformität ihrer Abrechnung angeordnet und mit Beschluss vom 6.12.2017 (Bd. I Bl. 229 d.A.) A zum Sachverständigen bestimmt.
Der Beklagte hat den Sachverständigen mit Schriftsatz vom 14.12.2017 (Bd. I Bl. 236 f. d.A.) als befangen abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Sachverständige bei einer anderen Versicherungsnehmerin die IMRT-Bestrahlung eingesetzt und ungedeckelt analog Ziffer 5855 der GOÄ abgerechnet habe (vgl. Rechnungskopie Anlage B 18, Bd. I Bl. 202 f. d.A.).
Das Landgericht hat das Ablehnungsgesuch zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, objektive Gründe, die vom Standpunkt des Ablehnenden aus bei vernünftiger Betrachtung die Befürchtung wecken könnten, der Sachverständige stehe der Sache nicht unvoreingenommen und damit nicht unparteiisch gegenüber, bestünden vorliegend nicht. Die Kammer teile die Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (Beschluss vom 6.10.2017 - 4 W 19/17 -, juris), wonach die Vornahme und entsprechende Abrechnung der IMRT-Bestrahlungen für sich allein die Besorgnis der Befangenheit nicht rechtfertige, sondern dem Sachverständigen die für die Beantwortung der Beweisfrage gebotene Sachkunde vermittele. Es sei geboten, als Sachverständige Personen zu beauftragen, die aufgrund ihrer eigenen Tätigkeit mit den zu begutachtenden Sachverhalten vertraut seien. Ein im Hinblick auf die gewählte eigene Abrechnungsmethode bestehendes eigenes wirtschaftliches Interesse des Sachverständigen könne die Besorgnis der Befangenheit nicht begründen. Gegenstand der Begutachtung sei die tatsächliche Vergleichbarkeit der von der Katalogziffer 5855 erfassten ärztlichen Leistung und der hier in Rede stehenden IMRT-Behandlung nach Art, Kosten und Zeitaufwand. Hierzu habe der Sachverständige dem Gericht lediglich die Tatsachengrundlage zu verschaffen, an Hand derer das Gericht über die Analogiefähigkeit zu befinden habe.
Entscheidend sei seine Argumentation und nicht die eigene Positionierung. Es bleibe den Parteien unbenommen, etwaige Einwendungen gegen die gutachterlichen Feststellungen vorzubringen und eine von der Verfahrensordnung vorgesehene inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten zu führen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde des Beklagten, mit welcher er unter Hinweis auf abweichende Entscheidungen der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main und Hamm ausführt, es bestehe die Befürchtung, der Sachverständige werde nicht geneigt sein, im Rahmen der Begutachtung von seiner eigenen Abrechnungspraxis abzuweichen oder sich gar in Widerspruch dieser zu setzen. Die Möglichkeit eines Konflikts des Sachverständigen genüge, um aus Sicht einer verständigen Partei das Vertrauen in eine unvoreingenommene Gutachtenerstattung zu beeinträchtigen.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist gemäß § 406 Abs. 5 ZPO statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt worden, mithin zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Anders als das Landgericht erachtet der Senat den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen A als begründet.
1. Gemäß § 406 Abs. 1 i.V.m. § 42 Abs. 2 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen, abgelehnt werden. Für die Besorgnis der Befangenheit kommt es nicht darauf an, ob der vom Gericht beauftragte Sachverständige parteiisch ist oder ob das Gericht Zweifel an seiner Unparteilichkeit hat. Vielmehr rechtfertigt bereits der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein der Parteilichkeit die Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit, wenn vom Standpunkt der ablehnenden Partei aus bei vernünftiger Betrachtung genügend Gründe vorhanden sind, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (BGH Beschluss vom 11. April 2013 - VII ZB 32/12 - Rdn. 13, juris).
Die Befürchtung fehlender Un...