Entscheidungsstichwort (Thema)
Aktienrechtliches Spruchverfahren: Methoden zur Unternehmensbewertung bei einem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag einer Holding GmbH & Co. mit einer Aktiengesellschaft; Angemessenheit der für Minderheitsaktionäre zu gewährenden Barabfindung für Vorzugsaktien
Normenkette
AktG §§ 30, 293, 304, 305 Abs. 2 Nr. 3; SpruchG § 1; ZPO § 287
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 04.08.2010; Aktenzeichen 3-5 O 73/04) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden der Antragsteller zu 4), 13), 16) bis 21), 29), 30), 34), 41), 42), 44), 45), 48) sowie 49) und die Anschlussbeschwerden der Antragsteller zu 3), 7), 10), 15), 23) sowie 24) werden zurückgewiesen.
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss der 5. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. vom 4.8.2010 unter Zurückweisung im Übrigen teilweise abgeändert und der Klarstellung halber wie folgt neu gefasst.
Der angemessene Abfindungsbetrag gem. § 305 AktG für den von der X AG mit der Antragsgegnerin am 26.4.2004 abgeschlossenen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag wird auf
74,83 EUR je Vorzugsaktie der X AG
und auf
88,08 EUR je Stammaktie der X AG
festgesetzt.
Der angemessene Ausgleich gem. § 304 AktG wird auf
netto 4,24 EUR (zzgl. Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag) je Vorzugsaktie
und auf
netto 4,22 EUR (zzgl. Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag) je Stammaktie
festgesetzt.
Die gerichtlichen Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz einschließlich der Vergütung des gemeinsamen Vertreters trägt die Antragsgegnerin. Zudem hat die Antragsgegnerin die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens vor dem 20. Zivilsenat unter dem Aktenzeichen 20 W 214/05 zu tragen. Ferner werden der Antragsgegnerin die außergerichtlichen Kosten der Antragsteller in erster Instanz auferlegt, sofern diese zur zweckentsprechenden Erledigung der Angelegenheit notwendig waren. Schließlich hat die Antragsgegnerin die der Antragstellerin zu 49) erwachsenen außergerichtlichen Kosten im Beschwerdeverfahren unter dem Aktenzeichen 20 W 214/05 in dem zuvor benannten Umfang zu tragen. Im Übrigen findet eine Erstattung außergerichtlicher Kosten nicht statt.
Der Geschäftswert des Verfahrens vor dem Land- und vor dem OLG wird einheitlich auf 7.500.000 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Die Antragsteller waren bis zu ihrem Ausschluss aus der Gesellschaft am 13./14.12.2005 Aktionäre der X AG, einer an der Börse gehandelten Aktiengesellschaft, deren Grundkapital in 44.135.676 auf den Inhaber lautende Stückaktien als Stammaktien und 23.381.670 auf den Inhaber lautende stimmrechtslose Vorzugsaktien eingeteilt war. Von den vorstehenden Aktien wurden 1,3 % als eigene Anteile von der X AG selbst gehalten. Unternehmensgegenstand der Gesellschaft war die Herstellung von chemischen, pharmazeutischen und kosmetischen Waren; die Herstellung und der Vertrieb von Apparaten, Geräten und Maschinen aller Art sowie Kunststofferzeugnissen, die Herstellung und der Vertrieb von Einrichtungen und Einrichtungsgegenständen sowie der Betrieb eines allgemeinen Ein- und Ausfuhrgeschäfts. Eingeteilt war der Konzern, der zu den größten international tätigen Anbietern für Haarkosmetikprodukte und Parfum zählte, in einen Geschäftsbereich Frisör, einen Bereich Consumer sowie einen Bereich Kosmetik und Duft. Das Geschäftsjahr der X AG begann am 1.7. eines Kalenderjahres und endete am 30.6. des nachfolgenden Jahres, wobei vom 1.1.2004 bis zum 30.6.2004 zur Umstellung auf den vorstehend genannten Geschäftsjahreszyklus ein Rumpfgeschäftsjahr gebildet wurde.
Am 17.3.2003 schloss die Y ... GmbH, eine Tochtergesellschaft der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, mit den auf die Gründerfamilie zurückgehenden Familienaktionären einen Vertrag über den direkten und indirekten Erwerb von 34.235.192 Stammaktien der X AG (77,57 % der stimmberechtigten Aktien). Etwa einen Monat später, am 28.4.2003, bot die Y ... GmbH im Rahmen eines öffentlichen Übernahmeangebotes sodann den Aktionären der X AG an, Stammaktien zum Preis von 92,25 EUR je Aktie und Vorzugsaktien zum Preis von 65 EUR je Aktie zu erwerben. Dies entsprach einem Unternehmensgesamtwert von ca. 5,4 Mrd. EUR und lag dem Vortrag der Antragsteller zufolge der Größenordnung nach nur geringfügig über einem vorher inoffiziell unterbreiteten Kaufangebot der Firma Z, das - bei anderer Aufteilung auf Stamm- und Vorzugsaktien - zu einem Unternehmenswert von knapp 5,3 Mrd. EUR führte. Das Angebot der Y ... GmbH wurde von den Aktionären für insgesamt 9.053.768 Stammaktien und 10.167.531 Vorzugsaktien angenommen und am 10.9.2003 vollzogen. In der Folge hielt die Antragsgegnerin Ende April 2004 99,6 % der Stammaktien sowie 47,3 % der Vorzugsaktien der X AG.
Am 26.4.2004 schloss die X AG als abhängige Gesellschaft mit der Antragsgegnerin als herrschender Gesellschaft einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag und gab diese Maßnahme am selben Tag im Rahmen einer Ad hoc - Mitteilung bekannt.
Zum Zweck der Durchführung der beabsichtigten u...