Entscheidungsstichwort (Thema)
Fehlende Statthaftigkeit der (Ausnahme-)beschwerde gegen Einstellungsentscheidung
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Beschluss vom 01.07.2002; Aktenzeichen 7 O 109/02) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG Wiesbaden – 7. Zivilkammer – vom 1.7.2002 (Nichtabhilfebeschluss vom 22.7.2002) wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Beschwerdewert: 8.000 Euro.
Gründe
I. Mit ihrer fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin dagegen, dass das LG die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Senats vom 10.9.1998 – 26 U 30/97 – im Rahmen der von ihr erhobenen Vollstreckungsabwehrklage nicht ohne, sondern nur gegen Sicherheitsleistung eingestellt hat.
Das LG hat der sofortigen Beschwerde der Schuldnerin mit der Begründung nicht abgeholfen, die sofortige Beschwerde sei bereits nicht statthaft; i.Ü. habe die Schuldnerin in ihrem mit der Vollstreckungsabwehrklage eingebrachten Einstellungsantrag Gründe, die eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung rechtfertigten, nicht vorgetragen. Auf die in der Beschwerdeschrift vorgetragenen Gründe für eine Einstellung ohne Sicherheitsleistung ist das LG nicht eingegangen.
II. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig. Auf der Grundlage der seit dem 1.1.2002 geltenden ZPO sind Rechtsmittel gegen Einstellungsentscheidungen nach § 769 ZPO unstatthaft; dies gilt auch für das bislang überwiegend als statthaft angesehene Rechtsmittel der außerordentlichen befristeten Beschwerde (sog. Ausnahmebeschwerde).
1. Während nach §§ 707 Abs. 2 S. 2, 719 Abs. 1 S. 1 ZPO die Anfechtung von Beschlüssen über Anträge auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung in Verfahren auf Wiedereinsetzung, Wiederaufnahme, Einspruch oder Berufung ausdrücklich ausgeschlossen ist, fehlt für Einstellungsanträge nach Erhebung einer Vollstreckungsabwehrklage (§ 767 ZPO) oder Drittwiderspruchsklage (§ 771 ZPO) in § 769 Abs. 3 ZPO ein entspr. Ausschluss von Rechtsmitteln.
Schon nach der ZPO in ihrer bis zum 31.12.2001 geltenden Fassung war wegen dieses unterschiedlichen Gesetzeswortlauts die Statthaftigkeit von Rechtsbehelfen gegen Einstellungsentscheidungen nach § 769 ZPO str. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, eine Einstellungsentscheidung nach § 769 ZPO sei auf einfache oder sofortige (auch dies war umstritten) Beschwerde unbeschränkt überprüfbar. Die Gegenauffassung wandte im Hinblick auf eine in § 769 Abs. 3 ZPO bestehende planwidrige Regelungslücke § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO analog an und kam auf diese Weise zur grundsätzlich fehlenden Statthaftigkeit eines Rechtsbehelfs. Die überwiegende Auffassung in Lit. und Rspr. (vgl. die umfangreichen Nachweise bei Schuschke/Walker, Vollstreckung und Vorläufiger Rechtsschutz, 3. Aufl., Bd. I, § 769 Rz. 14, Fn. 41 ff.) ließ eine sofortige Beschwerde ebenso wie bei Entscheidungen nach §§ 719, 707 ZPO nur als Ausnahmebeschwerde in Fällen greifbarer Gesetzeswidrigkeit zu. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass Differenzierungen zwischen den einzelnen Einstellungsanträgen und Beschwerdeformen nicht durch die Interessenlage der Parteien gerechtfertigt seien. Es liege vielmehr eine nicht hinreichend klare Konzeption des Gesetzgebers vor (vgl. die Zusammenstellung bei Schneider, MDR 1985, 547 ff.). Eine vermittelnde Auffassung (Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 769 Rz. 18) wiederum behandelte die sofortige Beschwerde zwar grundsätzlich als zulässig, beschränkte indes die Beschwerdegründe auf Fälle greifbarer Gesetzeswidrigkeit und/oder grobe Ermessensfehler (zu der vielgestaltigen Kasuistik vgl. die tabellarische Übersicht bei Lembke, MDR 2000, 13).
2. Nach der Neukonzeption des Rechtsmittelrechts durch das Zivilprozessreformgesetz kann auf der Grundlage der seit dem 1.1.2002 geltenden ZPO die bisher herrschende Rechtsprechungspraxis, die sofortige Beschwerde gegen Einstellungsentscheidungen nach § 769 ZPO als unstatthaft anzusehen, andererseits aber dem Ausnahmebeschwerdegrund der „greifbaren Gesetzeswidrigkeit” nahezu jede grob fehlerhafte Entscheidung zu unterstellen, nicht aufrechterhalten werden.
2.1. Schon nach altem Recht war der Ausnahmebeschwerdegrund der greifbaren Gesetzeswidrigkeit von den Instanzgerichten häufig unzulässig ausgeweitet worden, indem dieser Fallgruppe jeder grobe Fehler des Erstrichters unterstellt wurde, etwa weil die Grenzen der Ausübung richterlichen Ermessens nicht eingehalten oder Ermessen – wie im vorliegenden Fall – überhaupt nicht ausgeübt oder rechtliches Gehör versagt worden war. Insoweit hatte der BGH schon in der Vergangenheit Veranlassung darauf hinzuweisen, dass die Ausnahmebeschwerde wegen „greifbarer Gesetzeswidrigkeit” auf wirkliche Ausnahmefälle „krassen Unrechts” zu beschränken sei (BGH NJW-RR 1999, 1585); davon sei auszugehen, wenn die Entscheidung mit der geltenden Rechtsordnung schlechthin unvereinbar sei, weil sie jeder rechtlichen Grundlage entbehre und dem Gesetz inhaltlich fremd sei (BGH v. 8.10.1992 – VII ZB 3/92, MDR...