Entscheidungsstichwort (Thema)

Ermessensprüfung einer Kostenentscheidung der Vergabekammer; Ermessensnichtgebrauch hinsichtlich § 128 Abs. 3 S. 6 GWB bei frühzeitiger Erledigung des Verfahrens; keine eigene Festsetzungsbefugnis des Vergabesenats bei Ermessensnichtgebrauch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sofern der Gebührenfestsetzung Gebührentabellen zugrundegelegt werden, die sich am Bruttoauftragswert orientieren, ist der Wert des Angebots des Antragstellers des Nachprüfungsverfahrens maßgeblich, soweit es Gegenstand des Nachprüfungsverfahrens ist.

2. Die Kontrolle der Gebührenfestsetzung der Vergabekammern beschränkt sich auf die Prüfung von Ermessensfehlern; das Gericht ist nicht berechtigt, im Fall des Vorliegens von Ermessensfehlern ihr Ermessen an die Stelle der Vergabekammer zu stellen.

 

Normenkette

GWB § 128 Abs. 2, 3 S. 6

 

Verfahrensgang

Vergabekammer des Landes Hessen (Beschluss vom 12.05.2014; Aktenzeichen 69d VK 12/14)

 

Tenor

Der Beschluss der 2. Vergabekammer des Landes Hessen vom 12.5.2014 wird hinsichtlich der unter II. erfolgten Gebührenfestsetzung aufgehoben. Die Sache wird insoweit an die 2. Vergabekammer zur erneuten Prüfung und Festsetzung der Gebühr zurückverwiesen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Festsetzung einer Gebühr in Höhe von 11.212,50 EUR für ein mit Beschluss vom 12.05.2014 eingestelltes Vergabenachprüfungsverfahren.

Die Antragstellerin hatte sich an einem von der Antragsgegnerin durchgeführten, europaweiten offenen Verfahren zur Vergabe von Dienstleistungen im Bereich des ÖPNV beteiligt. Ausgeschrieben waren fünf Linienbündel im Bereich des A-Kreises sowie des Kreises B über eine Vertragslaufzeit von 10 Jahren (GA 19, 20). Die Gesamtleistung war in fünf Lose aufgeteilt worden (GA 19). Der Zuschlag sollte auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden, wobei das alleinige Zuschlagskriterium die Höhe des angebotenen Preises war (GA 26). Die Antragstellerin hatte Angebote u.a. für Los 4 abgegeben.

Mit ihrem Nachprüfungsantrag wandte sie sich gegen die ihr gemäß § 101a GWB am 17.4.2014 mitgeteilte Absicht der Antragsgegnerin, der ... C & Co. KG (i. F.: C KG) für das Los 4 den Zuschlag erteilen zu wollen.

Die Antragsgegnerin hatte noch vor Zustellung des Nachprüfungsantrags - in dessen Unkenntnis - der Beteiligten mit Schreiben vom 28.4.2014 für Los 4 den Zuschlag erteilt. Die Antragstellerin nahm deshalb ihren Nachprüfungsantrag vom 28.4.2014 mit Schriftsatz vom 7.5.2014 zurück (BA 97). Mit Beschluss vom 12.05.2014 stellte die Vergabekammer das Nachprüfungsverfahren ein und setzte die Gebühr für das Verfahren auf 11.212,50 EUR fest (BA 101). Zur Begründung führte die Vergabekammer aus, gemäß § 128 Abs. 2 GWB sei ausgehend von dem Bruttoauftragswert unter Anwendung der von der Vergabekammer des Bundes erarbeiteten Gebührentabelle eine volle Gebühr von 23.425 EUR angefallen, die infolge der Antragsrücknahme gem. § 128 Abs. 3 S. 4 GWB zu halbieren gewesen sei. Gründe, die die Antragstellerin nach § 128 Abs. 3 S. 5 GWB von der Kostentragungslast befreien könnten, seien nicht ersichtlich.

Gegen diese Kostenfestsetzung richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit welcher die Festsetzung einer Gebühr von nicht mehr als 2.435,63 EUR begehrt wird. Zur Begründung führt sie wie folgt aus:

Die Vergabekammer sei von einem unrichtigen Auftragswert ausgegangen. Die Höhe der festgesetzten Gebühr entspreche einem angenommenen Bruttoauftragswert von 29,5 Millionen EUR. Rechnerisch richtig sei jedoch allenfalls ein Bruttoauftragswert von 26.826.919,70 EUR. Zu Unrecht habe die Vergabekammer zudem die gesamte ausgeschriebene Vertragslaufzeit von 10 Jahren eingerechnet. Tatsächlich sei hier gem. höchstrichterlicher Rechtsprechung die Kappungsgrenze des § 3 Abs. 4 Nr. 2 VgV anzuwenden. Selbst wenn der gesamte Bruttoauftragswert zu Grunde gelegt würde, wäre er jedenfalls auf das allein von der Antragstellerin mit dem Vergabeverfahren angegriffene Los 4 mit einem Auftragswert von EUR 2.682.691,97p.a. zu beschränken.

Zudem habe die Vergabekammer rechtsfehlerhaft neben der Halbierung der Basisgebühr keine weitere Reduktion aus Billigkeitsgründen gemäß § 128 Abs. 3 S. 6 GWB erwogen. Mangels vertiefter Prüfung der Sach- und Rechtslage infolge der frühzeitigen Antragsrücknahme sei hier eine weitere Reduktion der vollen Gebühr um die Hälfte angemessen. Da die Vergabekammer ihr Ermessen insoweit nicht ausgeübt habe, könne der Vergabesenat eine eigene Ermessensentscheidung treffen.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss der Vergabekammer des Landes Hessen vom 12.5.2014, Az 69d VK 12/14 aufzuheben, soweit für das Verfahren vor der Vergabekammer eine Gebühr in Höhe von mehr als EUR 2.435,63 festgesetzt wurde.

Die Antragsgegnerin hat sich zu der Beschwerde nicht geäußert.

II. Die gegen die Festsetzung der Gebühr gerichtete sofortige Beschwerde ist gem. §§ 116, 117, 128 Abs. 1 S. 2 GWB, § 22 I VwKostG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begr...

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