Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. (heute: § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB)
Leitsatz (amtlich)
Der Beginn der Widerrufsfrist gem. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. (heute: § 355 Abs. 3 Satz 2 BGB) erfordert nicht, dass die dem Verbraucher zur Verfügung gestellte Abschrift seines Antrages von ihm auch unterschrieben worden ist. Eine Abschrift des Antrages ist dem Verbraucher auch dann i.S.d. § 355 Abs. 2 Satz 3 BGB a.F. (heute: § 355 Abs. 3 SAtz 2 BGB) "zur Verfügung gestellt" worden, wenn es diese umgehend einem von ihm beauftragten Dritten aushändigt.
Normenkette
BGB a.F. § 355 Abs. 2 S. 3; BGB § 355 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Beschluss vom 06.10.2011; Aktenzeichen 2/7 O 498/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss der 7. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 6.10.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin ist nicht begründet. Das LG hat die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu Recht abgelehnt, weil die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg hat (§ 114 ZPO).
Die Antragstellerin hat ihre auf Abschluss des Darlehensvertrages mit der Beklagten gerichtete Vertragserklärung nicht wirksam widerrufen. Für das einen Verbraucherkredit betreffende Widerrufsrecht der Antragstellerin sind gemäß EGBGB Art. 229 § 22 Abs. 2 die bei Abgabe der in Rede stehenden Willenserklärungen geltenden Bestimmungen des BGB anzuwenden. Die Antragstellerin hat das Widerrufsrecht, das ihr gem. §§ 495 Abs. 1, 355 Abs. 1 BGB in der am 14.12.2007 geltenden Fassung zustand, nicht rechtzeitig ausgeübt. Die mit Schreiben vom 8.3.2010 abgegebene Widerrufserklärung ist verfristet. Denn die Widerrufsfrist von zwei Wochen wurde bereits am 14.12.2007 in Lauf gesetzt.
Die der Antragstellerin erteilte Belehrung über ihr Widerrufsrecht entspricht den Anforderungen des § 355 Abs. 2 BGB a.F. Insbesondere verstößt die Widerrufsbelehrung nicht gegen das Deutlichkeitsgebot. Die Belehrung über den Fristbeginn entspricht der Formulierung des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. Ihr ist eindeutig zu entnehmen, dass der Lauf der Widerrufsfrist zusätzlich zu dem Empfang der Widerrufsbelehrung voraussetzt, dass die Antragstellerin im Besitz einer ihre eigene Vertragserklärung enthaltenden Urkunde ist. Die von der Antragstellerin für ihre gegenteilige Auffassung herangezogene Entscheidung des BGH vom 10.3.2009 (IX ZR 33/08, juris) bezieht sich zwar auf eine nahezu wortgleiche Widerrufsbelehrung; sie betrifft jedoch eine andere Fallgestaltung und ist deshalb nicht einschlägig. In der vom BGH entschiedenen Fallkonstellation lag dem Verbraucher neben der Widerrufsbelehrung das Darlehensangebot der beklagten Bank vor. Deshalb konnte für den Verbraucher der Eindruck entstehen, es handele sich bei dem Vertragsangebot der Beklagten unabhängig von seiner eigenen Annahmeerklärung um die in der Widerrufsbelehrung genannte Vertragsurkunde. Ein solches Missverständnis war hier jedoch ausgeschlossen. Denn der Antragstellerin lag kein Darlehensangebot der Beklagten vor; vielmehr unterzeichnete sie am 14.12.2007 ein eigenes Vertragsangebot, welches an die Antragsgegnerin gerichtet war, und die Widerrufsbelehrung. Hat aber der Verbraucher eine Vertragserklärung bereits abgegeben oder gibt es sie zumindest zeitgleich mit der Belehrung ab, bezieht sich die Belehrung auf eine konkrete Vertragserklärung des Verbrauchers. In einem solchen Fall kann der Verbraucher die ihm eingeräumte Überlegungsfrist sachgerecht wahrnehmen (BGH, a.a.O., Rz. 15 m.w.N.).
Am 14.12.2007 wurde der Antragstellerin auch entsprechend dem Erfordernis des § 355 Abs. 2 S. 3 BGB a.F. eine Abschrift ihres Vertragsangebots zur Verfügung gestellt. In diesem Zusammenhang ist ohne Belang, ob die Antragstellerin zusätzlich zu dem an die Antragsgegnerin übermittelten Vertragsangebot auch die für sie bestimmte Abschrift des Vertragsangebotes unterzeichnete. Erforderlich und gleichfalls auch ausreichend ist, dass die Abschrift den Inhalt der Vertragserklärung richtig und vollständig wiedergibt; eine Unterschrift muss die Abschrift des Darlehensangebots nicht aufweisen (Palandt/Weidenkaff, 71. Aufl., BGB § 492 Rz. 4). Für die Erfüllung der Aufklärungs-, Beweis- und Warnfunktion für den Verbraucher, die dem gesetzlichen Schriftformerfordernis zugrunde liegt (BGH NJW 2006, 681), und für den Schutz des Verbrauchers, der ihm mit dem Widerrufsrecht an die Hand gegeben werden soll, ist seine eigene Unterschrift unter der für ihn bestimmten Abschrift seiner Vertragserklärung ebenso wie für den Vertragsschluss selbst ohne Bedeutung.
Es kann offen bleiben, ob die Antragstellerin - wie sie behauptet - die Widerrufsbelehrung, ihr Vertragsangebot und weitere Erklärungen nicht in den Geschäftsräumen der Beklagten, sondern in ihrer Wohnung unterzeichnete und sodann Mitarbeiter der Firma ... GmbH alle Unterlagen an ...