Leitsatz (amtlich)
Schuldet die im Rechtsstreit obsiegende Partei ihrem Prozessbevollmächtigten nur eine gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV um die anteilige Geschäftsgebühr geminderte Verfahrensgebühr, dann kann gem. § 91 ZPO zu ihren Gunsten keine volle, sondern nur eine geminderte Verfahrensgebühr festgesetzt werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die Geschäftsgebühr im Rechtsstreit tituliert oder unstreitig außergerichtlich ausgeglichen worden ist.
Normenkette
ZPO § 91; RVG-VV Nr. 3100
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Aktenzeichen 2 O 312/05) |
Gründe
I. In dem dem Kostenfestsetzungsverfahren vorausgegangenen Rechtsstreit hat die Klägerin die Beklagte auf Duldung der Zwangsvollstreckung in ein Grundstück aus einer im Grundbuch eingetragenen Grundschuld über 204.516,75 EUR in Anspruch genommen. Die Klage ist durch Urteil des OLG Frankfurt vom 12.3.2007 abgewiesen worden. Nach diesem Urteil hat die Klägerin die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Mit Schriftsätzen vom 9.7.2007 hat die Beklagte Kosten für die erste Instanz i.H.v. 5.700,59 EUR und für die zweite Instanz i.H.v. 3.802,61 EUR zur Festsetzung angemeldet. Dabei hat sie für die erste Instanz eine 1,3 Verfahrensgebühr i.H.v. 2.514,20 EUR zzgl. Umsatzsteuer geltend gemacht. Auf Anfrage des Rechtspflegers hat die Beklagte mitgeteilt, durch die vorgerichtliche Tätigkeit ihres Prozessbevollmächtigten sei eine 1,3 Geschäftsgebühr i.H.v. 2.514,20 EUR angefallen.
Mit Beschluss vom 21.9.2007 hat das LG die der Beklagten von der Klägerin zu erstattenden Kosten auf insgesamt 8.044,96 EUR festgesetzt. Dabei hat es unter teilweiser Anrechnung der Geschäftsgebühr lediglich eine 0,65 Verfahrensgebühr für die erste Instanz i.H.v. 1.257,10 EUR anerkannt.
Die Beklagte hat gegen den ihr am 10.10.2007 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss mit einem am 12.10.2007 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz sofortige Beschwerde eingelegt. Sie wendet sich gegen die teilweise Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die erstinstanzliche Verfahrensgebühr. Damit werde ihr die Möglichkeit genommen, ihre vorgerichtlichen Kosten ggü. der Klägerin durchzusetzen. Hierin liege eine Ungleichbehandlung, weil sie anders als die Klägerin nicht die Möglichkeit gehabt habe, ihre vorgerichtlichen Kosten als Nebenforderung einzuklagen.
Mit Beschluss vom 15.10.2007 hat das LG der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 RVG-VV sei die Geschäftsgebühr zwingend auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
II. Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§§ 104 Abs. 3 Satz 1, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO) und zulässig (§§ 567 Abs. 2, 569 Abs. 1 und 2 ZPO). In der Sache selbst hat sie jedoch keinen Erfolg.
Zu Recht hat das LG zugunsten der Beklagten nur eine um die hälftige Geschäftsgebühr geminderte Verfahrensgebühr in Ansatz gebracht.
1. Gemäß § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO umfasst der prozessuale Kostenerstattungsanspruch, dessen Durchsetzung das Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO dient, die notwendigen Kosten des Rechtsstreits, wozu gem. § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO insbesondere die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei gehören. Erstattungsfähig sind danach nur die dem Berechtigten im Zusammenhang mit dem Rechtsstreit tatsächlich erwachsenen Kosten. Dementsprechend dürfen keinesfalls höhere Kosten festgesetzt werden, als dem Berechtigten tatsächlich entstanden sind (BVerfG NJW 1983, 809; BGH NJW-RR 2003, 1217, 1218; NJW-RR 2003, 1507, 1508).
Hatte die im Rechtsstreit obsiegende Partei ihren Prozessbevollmächtigten bereits mit ihrer vorgerichtlichen Vertretung in derselben Angelegenheit beauftragt und ist deshalb wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nr. 2300 bis 2303 RVG-VV angefallen, dann wird diese nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 zu Nr. 3100 RVG-VV zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet. Dies bedeutet, dass sich die Verfahrensgebühr im Umfang der vorzunehmenden Anrechnung vermindert (BGH NJW 2007, 2049, 2050; NJW 2007, 2050, 2052). Dabei kann für die Frage der Kostenerstattung dahinstehen, ob die Verfahrensgebühr zunächst in voller Höhe entsteht und erst in einem zweiten Schritt um den anrechenbaren Teil der Geschäftsgebühr gekürzt wird (so OLG München, Beschl. v. 30.8.2007 - 11 W 1779/07, juris Rz. 14; Schneider, AGS 2007, 441; Lickleder, NZM 2007, 589, 590) oder ob die Verfahrensgebühr von vornherein nur in reduzierter Höhe anfällt. Entscheidend ist allein, dass die Partei ihrem Prozessbevollmächtigten nicht die volle, sondern nur eine geminderte Verfahrensgebühr schuldet. Deshalb kann zu ihren Gunsten auch nur eine geminderte Verfahrensgebühr festgesetzt werden, weil ihr insoweit keine weitergehenden Kosten erwachsen sind (ebenso Ostermeier, NJW-aktuell Heft 34/2007, S. XVI).
2. Allerdings wird in Rechtsprechung und Literatur bisher ganz überwiegend die Auffassung vertreten, die Anrechnungsvorschrift der V...