Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungsverbot für unlauter abgeworbene Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

Hat ein Unternehmen in unlauterer (§ 4 Nr. 4 UWG) Weise Arbeitnehmer eines Mitbewerbers abgeworben, kommt als Maßnahme zur Schadensbeseitigung durch Naturalrestitution grundsätzlich die - auch im Eilverfahren mögliche - Verhängung eines befristeten Beschäftigungsverbots hinsichtlich dieser Arbeitnehmer in Betracht. Voraussetzung hierfür ist jedoch zum einen, dass das Beschäftigungsverbot - über den Charakter einer bloßen Sanktion für das unlautere Verhalten hinaus - tatsächlich geeignet ist, den durch die Abwerbung herbeigeführten Schaden auszugleichen (im Streitfall verneint). Zum andern kann ein solches Beschäftigungsverbot nur angeordnet werden, wenn dies auch im Hinblick auf die berechtigten Interessen der betroffenen Arbeitnehmer verhältnismäßig erscheint; letzteres ist jedenfalls dann zu verneinen, wenn den Arbeitnehmern im Zusammenhang mit dem Arbeitgeberwechsel kein unlauteres, arbeitsvertragswidriges oder sonst rechtswidriges Verhalten vorgeworfen werden kann.

 

Normenkette

UWG § 4 Nr. 4

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Entscheidung vom 19.09.2017; Aktenzeichen 12 O 74/17)

 

Tenor

1.) Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil des Landgerichts Darmstadt vom 19.09.2017, Az. 12 O 74/17 abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2.) Die Antragstellerin trägt die Kosten des Eilverfahrens.

3.) Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um Unterlassungsansprüche wegen unlauterer Mitarbeiterabwerbung.

Die Antragstellerin ist ein Unternehmen, das Service- und IT-Leistungen im IT-Bereich anbietet. Bis vor kurzem verfügte die Antragstellerin über 48 Mitarbeiter. Nach umfangreichen Streitigkeiten zwischen den beiden Gesellschaftern der Antragstellerin wurde auch der zweite Gesellschafter A neben dem Gesellschafter B zum Geschäftsführer bestellt.

Im Laufe des Monats Juli 2017 kündigte eine Vielzahl von Mitarbeitern und wechselte zur Antragsgegnerin, wobei die Parteien darüber streiten, ob der Gesellschafter-Geschäftsführer B der Antragstellerin die Mitarbeiter unter Ausnutzung seiner Stellung gezielt zur Antragsgegnerin überführte.

Das Landgericht hat der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, 31 namentlich benannte ehemalige Mitarbeiter der Antragstellerin zu beschäftigen, soweit sie für namentlich benannte ehemalige Kunden der Antragstellerin tätig sind.

Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Anspruch gegen die Antragsgegnerin, ehemalige Mitarbeiter der Antragstellerin nicht zu beschäftigen, weder aus §§ 8 I, III Nr. 1 UWG i.V.m. § 4 Nr. 4 UWG noch aus § 826 BGB zu. Dabei kann dahinstehen, ob der Antragsgegnerin ein wettbewerbswidriges Verhalten in Form der gezielten Behinderung vorzuwerfen ist, da jedenfalls die Voraussetzungen für die begehrte Rechtsfolge eines Beschäftigungsverbotes ehemaliger Arbeitnehmer der Antragstellerin nicht erfüllt sind.

1.) Ob das Verhalten der Antragsgegnerin als unlauter anzusehen ist, kann dahinstehen.

Auszugehen ist allerdings bei Beurteilung der Unlauterkeit der Abwerbung von Mitarbeitern von dem Grundsatz der Abwerbungsfreiheit. Die Freiheit des Wettbewerbs erstreckt sich auch auf die Nachfrage nach Arbeitnehmern. Unternehmer haben keinen Anspruch auf den Bestand ihrer Mitarbeiter. Die für ein Unternehmen Tätigen sind zudem in der Wahl ihres Arbeitsplatzes frei (Art. 12 GG). Das Abwerben von Mitarbeitern (= Ausspannen) eines Unternehmers, gleichgültig, ob er auf dem Absatzmarkt Mitbewerber ist oder nicht, ist daher lauterkeitsrechtlich grundsätzlich erlaubt (BGH GRUR 1961, 482 - Spritzgussmaschine; BGH GRUR 1966, 263 - Bau-Chemie; BGH GRUR 1984, 129 (130) - shop-in-the-shop I; BGH GRUR 2006, 426 [BGH 09.02.2006 - I ZR 73/02] Rnr. 18 - Direktansprache am Arbeitsplatz II). Dies gilt auch dann, wenn die Abwerbung bewusst und planmäßig erfolgt (BGH GRUR 1966, 263 - Bau-Chemie). Grundsätzlich spielt es auch keine Rolle, welche (Schlüsselkräfte) oder wie viele Mitarbeiter abgeworben werden. Will sich ein Unternehmen vor einer Abwerbung seiner Mitarbeiter schützen, so kann es dies durch entsprechende Zugeständnisse oder durch Auferlegung vertraglicher Wettbewerbsverbote (§§ 74 ff., 90a HGB) erreichen (ebenso OLG Brandenburg WRP 2007, 1368 [OLG Brandenburg 06.03.2007 - 6 U 34/06] (1370)).

Eine Unlauterkeit in Form der gezielten Behinderung nach § 4 Nr. 4 UWG kann sich daher erst durch das Hinzutreten weitere Umstände ergeben, nämlich insbesondere durch die Unlauterkeit des Zwecks oder der Methoden der Abwerbung.

2.) Ob - worauf gewisse Indizien hindeuten - eine derartige Unlauterkeit hier darin liegt, dass der Geschäftsführer B unter Ausnutzung seiner Geschäftsführerstellung bei der Antragstellerin und unter V...

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