Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu den inhaltlichen Anforderungen an die die Verjährungshemmung beendende Entscheidung des Versicherers
Leitsatz (amtlich)
1. Gem. § 3 Nr. 3 S. 1 PflVG a.F. ist die Verjährung von Ansprüchen bis zum Eingang der schriftlichen Entscheidung des Versicherers gehemmt, wenn der Anspruch des Dritten bei dem Versicherer angemeldet worden ist.
2. Auch eine anspruchsbejahende, für den Geschädigten positive Erklärung des Versicherers kann eine Entscheidung i.S. von § 3 Nr. 3 S. 1 PflVG a.F. darstellen. Dies setzt jedoch eine klare und umfassende Erklärung des Versicherers voraus. Daher beendet eine positive Entscheidung des Versicherers die Verjährungshemmung nur dann, wenn der Geschädigte aufgrund dieser Entscheidung sicher sein kann, dass auch künftige Forderungen aus dem Schadensfall freiwillig bezahlt werden, sofern sie der Höhe nach ausreichend belegt werden.
3. In der vorbehaltlosen Ersatzleistung auf einzelne Schadenspositionen kann ein Anerkenntnis i.S. des § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB liegen. Ein derartiges Anerkenntnis ist aber einer die Verjährungshemmung des § 3 Nr. 3 S. 1PflVG a.F. beendenden Entscheidung noch ohne Weiteres gleich zu setzen. Vielmehr können Verjährungsneubeginn und Verjährungshemmung in entsprechenden Fällen nebeneinander treten.
Normenkette
ZPO §§ 301, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 7; BGB § 212 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG Limburg a.d. Lahn (Entscheidung vom 21.11.2016; Aktenzeichen 1 O 99/16) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Grundurteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Limburg vom 21. November 2016 (Az.: 1 O 99/16) aufgehoben. Die Sache wird an das Gericht des ersten Rechtszuges zurückverwiesen, dem auch die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens überlassen bleibt.
Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Wert des Berufungsverfahrens wird auf EUR 93.500,00 festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt Schmerzensgeld und die Feststellung der Einstandspflicht der Beklagten.
Der Kläger befuhr am 13. Januar 2005 gegen 20:30 Uhr die A-Straße in Stadt1 mit einem Kraftrad mit dem amtlichen Kennzeichen X. Die Versicherungsnehmerin der Beklagten fuhr mit einem Personenkraftwagen mit dem amtlichen Kennzeichen Y in Gegenrichtung. Für diesen Personenkraftwagen bestand damals bei der Beklagten eine Haftpflichtversicherung.
Beim Abbiegen übersah die Beklagte den Kläger und kollidierte mit dessen Zweirad. Der Kläger stürzte und wurde verletzt. Er befand sich zunächst in der Zeit vom 13. Januar 2005 bis zum 22. Januar 2005 in stationärer Behandlung.
Über die Diagnose und die Behandlung des Klägers, der damals als ... tätig war, im Zusammenhang mit seinem stationären Aufenthalt im B-Krankenhaus verhält sich der Arztbericht vom 20. Januar 2005, hinsichtlich dessen Inhalts auf die zu den Akten gereichte Kopie (Bl. 48 f. d. A.) Bezug genommen wird.
Der Kläger beauftragte den damals in Stadt2 als Rechtsanwalt zugelassenen Streitverkündeten mit der Wahrnehmung seiner Interessen. Dieser meldete mit Anwaltsschreiben vom 28. August 2007 (Anlage K 1, BI. 16 d. A.) unter Vorlage einer Vollmacht des Klägers für diesen Schadensersatzansprüche an, die zunächst wie folgt beziffert wurden:
Reparaturkosten für Kraftrad (die Red.) 229,78 EUR
Nutzungsausfallentschädigung bleibt vorbehalten
Auslagenpauschale 50,00 EUR
Arbeitshose (Zunfthose) 44,08 EUR
...schuhe 65,23 EUR
Attestkosten B-KH 6,00 EUR
Eigenbeteiligungskosten Krankenhaus 100,00 EUR
Weitere eigenbeteiligungskosten 40,00 EUR
Kosten für Krücke 5,00 EUR
Eigenbeteiligung Medikamente 10,00 EUR
Zuzahlung Medikamente 10,00 EUR
Zugleich bezifferte der Streitverkündete das Schmerzensgeld auf vorläufig EUR 7.000,00. Er forderte die Beklagte unter Fristsetzung zunächst auf, den vorläufigen Anspruch in Höhe von EUR 7.560,09 auszugleichen und übermittelte eine Gebührenrechnung über insgesamt EUR 759,22 brutto.
Mit Schreiben vom 20. Dezember 2007 (Anlage K 2, BI. 20 ff. d. A.) erläuterte die Beklagte, dass eine Schmerzensgeldrente nicht in Betracht komme. Aufgrund der vorliegenden Unterlagen liege aus ihrer Sicht lediglich eine unfallbedingte Weber-C-Fraktur mit Luxation und Zerreißung des Innenbandes vor. Weiter heißt es in dem Schreiben u. a. wie folgt:
"Ganz abgesehen davon, dass für uns der weitere Verlauf bisher nicht zu ersehen ist, da Sie uns bis heute keine entsprechende Schweigepflichtentbindungserklärung mit konkreter Benennung des erstbehandelnden Krankenhauses und der behandelnden Ärzte, trotz Aufforderung mit Schreiben vom 21.09.07 u. 02.10.07, übersandt haben, kommt bei einer selbst schweren Sprunggelenksverletzung mit Arthrose u. Dauerfolgen nach der Rspr. nicht die Zahlung einer Schmerzensgeldrente in Betracht.
Eine Schmerzensgeldrente kommt nur in Betracht, wenn ein wichtiges Glied oder Sinnesorgan verloren wurde und die Beeinträchtigung der Lebensführung sich ständig äußerst schmerzlich fortsetzt. Es muss sich um ganz massive Dauerschäden handeln, wie dies z.B. im Falle von Querschnittslähmungen o. s...