Leitsatz (amtlich)
Verbindet der Auftraggeber eine Fristsetzung zur Mängelbeseitigung nicht mit einer Ablehnungsandrohung, so entsteht der mit einer Gewährleistungsbürgschaft gesicherte Anspruch grundsätzlich erst, wenn der Auftraggeber einen Geldanspruch ggü. dem Unternehmer geltend macht.
Normenkette
BGB §§ 634, 765
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 05.02.2010; Aktenzeichen 10 O 67/09) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 5.2.2010 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Wiesbaden (10 O 67/09) abgeändert.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger EUR 132.851,03 nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 17.4.2008 zu zahlen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Im Streit ist allein, ob die Inanspruchnahme der Beklagten aus einer Gewährleistungsbürgschaft (unstreitig im Betrag von 132.851,03 EUR) verjährt ist.
Die Beklagte übernahm ggü. dem Kläger am 16.10.2001 eine Vertragserfüllungs- und Gewährleistungsbürgschaft für die unter Geltung der VOB/B vereinbarten Leistungen eines (Fassaden-) Bauunternehmers, über dessen Vermögen am 12.8.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde. Am 17.4.2003 wurden die Leistungen des Bauunternehmers von dem Kläger abgenommen und bezahlt, allerdings mit Gewährleistungseinbehalt.
Im August 2003 traten Fassadenschäden an der Glasfront auf. Der Kläger verlangte von dem Bauunternehmer unter dem 27.10.2003 die Ergreifung von Sicherungsmaßnahmen gegen herabstürzende Teile der Glasfassade, was dieser am 28.10.2003 ablehnte.
Unter dem 29.10.2003 kündigte der Kläger die Ersatzvornahme wegen der Sicherungsmaßnahmen an und forderte den Bauunternehmer ferner auf, bis 28.11.2003 die Mängel zu beseitigen, ohne mitzuteilen, was nach fruchtlosem Fristverlauf geschehen werde. Der Bauunternehmer beseitigte die Mängel nicht.
Ab Dezember 2003 ließ der Kläger die Sicherungsmaßnahmen durch Dritte durchführen, von 2004 bis 2005 Ersatzvornahmen zur Beseitigung der eigentlichen Mängel.
Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstands wird im Übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen (Bl. 129 ff. d.A.).
Das LG hat die Klage aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung wegen Verjährung abgewiesen.
Die Berufung des Klägers bringt im Wesentlichen vor, das LG habe verkannt, dass ein auf Geld gerichteter Gewährleistungsanspruch nicht im Jahre 2003 entstanden sei. Er sei deswegen entgegen der Annahme des LG nicht vor der Abgabe der Verjährungsverzichtserklärung (28.12.2007) verjährt.
Der Kläger hat Berufung eingelegt, mit der er sein erstinstanzliches Klageziel (in der Hauptsache Zahlung von 132.851,03 EUR) weiter verfolgt (vgl. den Tatbestand des angefochtenen Urteils sowie die Berufungsbegründungschrift vom 17.5.2010, Bl. 176d. A).
Die Beklagte begehrt die Zurückweisung der Berufung und verteidigt das angefochtene Urteil im Wesentlichen unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens.
II. Das erstinstanzliche Urteil ist abzuändern. Die Beklagte schuldet den aus dem Tenor ersichtlichen Betrag auf Grund der übernommenen Gewährleistungsbürgschaft (§ 765 Abs. 1 BGB), was zwischen den Parteien im Grundsatz auch nicht im Streit steht. Verjährung ist nicht eingetreten.
Die Beklagte hat 2007 auf die Einrede der Verjährung verzichtet, soweit bis dahin noch keine Verjährung eingetreten war. Die Verteidigung der Beklagten konnte daher nur greifen, wenn mit Auflauf des 31.12.2006 Verjährung eingetreten ist. Das ist nicht der Fall. Im Jahr 2007 war die Bürgschaftsforderung noch nicht verjährt, weil sie im Jahre 2003 noch nicht entstanden war.
Ein Anspruch gegen einen Bürgen verjährt in drei Jahren ab dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Gläubiger die anspruchsbegründenden Umstände kennt oder grob fahrlässig nicht kennt (§ 199 Abs. 1 BGB). Der Anspruch gegen einen Bürgen aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft entsteht mit Fälligkeit der gesicherten Forderung (BGH, Urt. v. 23.9.2008 - XI ZR 395/07, NJW 2009, 587).
Die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung ist dabei von einer Leistungsaufforderung an den Bürgen nicht abhängig (BGH, Urt. v. 29.1.2008 - XI ZR 160/07, NJW 2008, 1729).
Im Jahr 2003 war die Bürgschaftsforderung noch nicht entstanden. Die Haftung aus einer Gewährleistungsbürgschaft findet, vorbehaltlich einer anderen Vereinbarung, nur für Geldforderungen statt. Der Sicherungsfall tritt deswegen erst ein, wenn der Nachbesserungs- oder Nacherfüllungsanspruch in einen Geldanspruch übergegangen sind (BGH, Urt. v. 28.9.2000 - VII ZR 460/97, NJW-RR 2001, 307). Der Bauvertrag (Anlage K1, ...