Leitsatz (amtlich)
1. Bei objektiv unrichtigen Angaben auf eine eindeutige und unmissverständliche Frage des Versicherers wird entsprechend dem Wortlaut des § 6 Abs. 3 VVG ein vorsätzliches Verschulden vermutet. Es ist deshalb Sache des Versicherungsnehmers, diese Vermutung zu widerlegen.
2. Durch das Verschweigen anderer Unfallversicherungen werden die Interessen des Versicherers in erheblicher Weise gefährdet. Es handelt sich um eine sachdienliche Frage, auch wenn das Bestehen einer anderweitigen Versicherung an der grundsätzlichen Leistungspflicht des Versicherers nichts ändert.
Normenkette
AUB § 10 Abs. 2; VVG § 6 Abs. 3
Verfahrensgang
LG Fulda (Aktenzeichen 2 O 164/05) |
Nachgehend
Gründe
I. Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Rückzahlung von Invaliditätsentschädigung in Anspruch. Der Beklagte begehrt mit der Widerklage von der Klägerin eine weitere Invaliditätsentschädigung.
Mit Formularantrag vom 29.12.1998 (Bl. 11 d.A.) beantragte der Beklagte bei der Klägerin den Abschluss einer dynamischen Unfallversicherung mit Krankentagegeldversicherung. Die in dem Formular enthaltene Frage, "bestehen oder bestanden schon Unfallversicherungen und wurden außer bei uns weitere Unfallversicherungen beantragt", beantwortete der Beklagte mit "nein".
Das Antragsformular wurde von Herrn A ausgefüllt, wobei streitig ist, ob dieser als selbständiger Versicherungsmakler oder als Agent der Klägerin tätig geworden ist. Unter dem 31.12.1999 beantragte der Beklagte bei der Klägerin eine weitere Unfallversicherung (Bl. 12 d.A.), wobei ihm wiederum Herr A behilflich war. Die Frage nach anderen Unfallversicherungen beantwortete er hier mit "B, C". Die Klägerin nahm die vom Beklagten unterzeichneten Versicherungsanträge an. Beiden Verträgen liegen die AUB 94 zugrunde. Zum damaligen Zeitpunkt bestand noch eine weitere Unfallversicherung des Beklagten bei der D Versicherungs AG (im Folgenden kurz: D) mit einer Versicherungssumme von 221.319 EUR. Eine Unfallversicherung bei der B hatte der Beklagte kurz zuvor gekündigt.
Am 25.6.2002 stürzte der Kläger beim Beladen seines Pkw über zwei am Boden liegende Körbe (Bl. 15 d.A.) und erlitt dabei eine Radiusfraktur links (Bl. 112 d.A.). Mit Schadensanzeige vom 5.8.2002 (Bl. 103 d.A.) zeigte der Beklagte der Klägerin diesen Unfall an, wobei das Schadensanzeigeformular angeblich von seiner Tochter ausgefüllt wurde. Die unter Ziff. 12 gestellte Frage, "bestehen oder bestanden noch bei anderen Gesellschaften Unfallversicherungen, Unfallzusatzversicherungen", beantwortete der Beklagte mit "nein". Die Klägerin holte in der Folgezeit medizinische Gutachten zum Grad der Invalidität an der linken Hand des Beklagten ein und zahlte aufgrund des festgestellten Invaliditätsgrades aus beiden Unfallversicherungen eine Invaliditätsentschädigung von insgesamt 122.008,74 EUR.
Am 15.10.2004 (Bl. 16 d.A.) übersandte der Beklagte der Klägerin das fachärztliche Gutachten des Klinikums der E Universität in O1, das von der D in Auftrag gegeben worden war (Bl. 17 bis 52 d.A.). Hintergrund war, dass die D einen höheren Invaliditätsgrad als die Klägerin festgestellt hatte und der Beklagte bei der Klägerin eine höhere Invaliditätsentschädigung erreichen wollte. Streitig ist, ob der Beklagte bereits zuvor, z.B. in einem Telefongespräch am 6.10.2004 (Bl. 76 d.A.), einem Mitarbeiter der Klägerin von der Existenz des Weiteren Gutachtens der D berichtet hatte. Nach Übersendung dieses Gutachtens trat die Klägerin mit zwei Schreiben vom 3.11.2004 (Bl. 53, 55 d.A.) von den beiden Versicherungsverträgen zurück und erklärte hilfsweise die Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung, weil der Beklagte in den Versicherungsanträgen die bestehende anderweitige Unfallversicherung nicht angegeben habe. Gleichzeitig berief sie sich auf Leistungsfreiheit wegen einer vorsätzlichen Falschangabe zu den anderen Unfallversicherungen in der Schadensanzeige. Mit Schreiben vom 9.11.2004 (Bl. 57 d.A.) forderte sie den Beklagten zur Rückerstattung der erhaltenen Versicherungsleistungen auf. Der Beklagte lehnte jegliche Rückzahlung ab und wendet ein, er habe zu anderen Unfallversicherungen keine vorsätzlich falschen Angaben in den Versicherungsanträgen und in der Schadensanzeige gemacht. Er habe jeweils darauf vertraut, dass A und seine Tochter die Antworten korrekt ankreuzten. Er habe die Falschangabe schlicht und einfach übersehen. Er forderte die Klägerin mit Schreiben vom 24.1.2005 (Bl. 83 d.A.) gestützt auf das Gutachten der D auf, eine weitere Invaliditätsentschädigung von 80.803,70 EUR bis spätestens 18.2.2005 zu zahlen. Diese Forderung ist Gegenstand der Widerklage.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen wird gem. § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.
Das LG hat durch Urteil vom 1.2.2006 (Bl. 140 ff. d.A.) den Beklagten zur Zahlung von 122.008,74 EUR nebst Zinsen verurteilt und die Widerklage abgewiesen. Zur Begründung hat es au...