Entscheidungsstichwort (Thema)
Implantation von Hüftgelenksprothesen nach dem "Robodoc" Verfahren
Leitsatz (amtlich)
Die Anwendung des computerunterstützten Fräsverfahrens ("Robodoc") am coxalen Femur (Hüft-Oberschenkelknochen) bei Implantation einer Hüftgelenksendoprothese stellt nicht bereits als solche einen Arztfehler dar.
Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist die Wahl der Behandlungsmethode primär Sache des Arztes (BGH v. 24.11.1987 - VI ZR 65/87, MDR 1988, 398 = NJW 1988, 765 [766] = VersR 1988, 190 [191]).
Hier handelt es sich aber darum, ob die beklagten Ärzte der Klägerin das roboterunterstützte Verfahren angesichts seiner Neuheit und der damit verbundenen Risiken überhaupt vorschlagen durften. Diese Frage ist zu bejahen, da die neue Methode dem herkömmlichen manuellen Verfahren bei Abwägung der Vor- und Nachteile nicht unterlegen war.
Daher konnten die Ärzte der Beklagten zu 1) ihrer Patientin die neue Methode zur Behandlung ihrer Hüftgelenkserkrankung als Alternative vorschlagen.
1995 setzte die Anwendung des neuen Verfahrens voraus, dass die Ärzte die Patienten darüber aufklären, dass es sich um eine neue Methode handelt, die noch nicht lange praktiziert wird, und dass es daneben noch das herkömmliche Verfahren mit ausschließlich manueller Technik gibt. Der Patient musste außerdem auf die wesentlichen Unterschiede beider Verfahren hingewiesen werden, insb. darauf, dass die Operation mit der neuen Methode länger dauert und dass eine Voroperation zur Anbringung von Pins (Markierungsstifte) am Oberschenkelknochen erforderlich ist.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 29.08.2003; Aktenzeichen 2/21 O 362/98) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das am 29.8.2003 verkündete Urteil des LG Frankfurt am Main in der Form des Berichtigungsbeschlusses vom 16.1.2004 - 2-21 O 362/98 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abzuwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten als Gesamtschuldnern Schadensersatz für eine ihrer Auffassung nach fehlerhaft und ohne die erforderliche Aufklärung durchgeführte computergestützte Implantation einer Totalendoprothese des linken Hüftgelenks mit vorausgegangener Pin-Implantation. Sie macht ein angemessenes Schmerzensgeld, das ihrer Vorstellung nach 50.000 DM = 25.564,59 Euro betragen sollte, einen materiellen Schaden von 11.379,19 DM = 5.818,09 Euro sowie die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten, ihr den Zukunftsschaden aus den Operationen vom 12. und 13.9.1995 zu ersetzen, geltend.
Wegen der tatsächlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil erster Instanz vom 29.8.2003 Bezug genommen (Bl. 444-447 d.A.). Das LG hat durch diese Entscheidung die Klage abgewiesen und ausgeführt, die Beweisaufnahme durch Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. vom 19.6.2000 sowie durch dessen Ergänzungsgutachten vom 17.4.2001 und seine mündliche Anhörung am 30.1.2003 habe einen Behandlungsfehler der beklagten Ärzte nicht ergeben. Auch ein Aufklärungsmangel sei nicht festzustellen, denn über diejenigen Risiken, die sich verwirklicht hätten - Beinvenenthrombose und Nervenschaden -, sei die Klägerin aufgeklärt worden.
Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin in zulässiger Weise Berufung eingelegt.
Sie behauptet wie in erster Instanz, der Beklagte zu 3) habe die Operation vom 13.9.1995 grob fehlerhaft durchgeführt, was eine Überdehnung des Ischiadicusstammes und damit die Peronaeusschädigung zur Folge gehabt habe. Die Dauer der Operation von 5 1/2 Stunden sei außergewöhnlich lang, was auf Komplikationen hindeute. Der Sachverständige Prof. Dr. S. habe die übliche Zeit beim Pin-Verfahren mit cirka 2 Stunden angegeben. Bei seiner mündlichen Anhörung habe er diesen Zeitraum auf 3 Stunden relativiert. Für die Erforderlichkeit von 5 1/2 Stunden habe er keine einleuchtende Erklärung abgeben können. Dies sei auch den Beklagten bisher nicht gelungen.
Die Operationsberichte wiesen die Dauer des Eingriffs und das Datum ihrer Abfassung nicht aus. Dies bewirkt nach Ansicht der Klägerin eine Umkehr der Beweislast zu ihren Gunsten. Die lang anhaltende Überdehnung des Nervs führe eher zu einer Schädigung als eine kurzzeitige. Das Setzen der Pins sei ebenfalls grob fehlerhaft. Sie, die Klägerin, habe vier Narben, und zwar eine am Oberschenkel und drei am Knie. Der Sachverständige habe aber lediglich drei Pins festgestellt. Es sei ungeklärt, warum sie vier Narben habe. Die Klägerin beruft sich für die medizinische Problematik der computergestützten Implantation der Hüftgelenksprothese auf ein Gutachten des Facharztes für Chirur...