Leitsatz (amtlich)
1. Für die internationale Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO kommt es darauf an, ob eine unerlaubte Handlung möglich erscheint.
2. Der Begriff der unerlaubten Handlung ist autonom zu qualifizieren und bezieht sich auf alle Klagen, mit denen eine Schadenshaftung des Beklagten geltend gemacht wird, die nicht an einen Vertrag anknüpft.
3. § 34a Abs. 1 S. 1 WpHG ist Schutzgesetz i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB.
Normenkette
EuGVVO § 5 Nr. 3; WpHG § 34a
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 15.07.2005; Aktenzeichen 2-21 O 478/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 21. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. vom 15.7.2005 (2-21 O 478/04) und das zugrundeliegende Verfahren aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird an das LG Frankfurt/M. zurückverwiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem erstinstanzlichen Schlussurteil vorbehalten.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Verpflichtung der Beklagten, dem Kläger Schadensersatz zu leisten wegen Verlusten aus Finanztermingeschäften.
Die Beklagte ist ein britisches Broker-Haus in London mit Schwerpunkt Börsentermingeschäfte. Sie hat Kontakt zu deutschen Vermittlerfirmen, wie im Fall des Klägers der A. GmbH. Diese eröffnete im eigenen Namen ein Sammelkonto bei der Beklagten, auf das sämtliche Gelder von Anlegern eingezahlt wurden. Die Firma A. GmbH zog Geld des Klägers ein und leitete es im eigenen Namen aber auf Rechnung des Klägers an die Beklagte weiter. Die Beklagte berechnete der Vermittlerin eine übliche Provision zwischen 5 und 15 $. Den Kommissionsanteil behielt die Vermittlerin für sich und leitete nur den Restbetrag von 2/3 der eingezahlten Summen weiter. Nach Abschluss eines Vergleichs zwischen dem Kläger und der Firma A. GmbH vom 17.5.2004 erhielt der Kläger 220.000 EUR von der Vermittlerin zurück.
Der Kläger hat behauptet, die Beklagte arbeite mit den Vermittlerfirmen zusammen. Diese Vermittlerfirmen würden Kunden durch unaufgeforderte Telefonanrufe werben. Die Vermittlerin habe den Kläger mit einem weit überhöhten Kommissionssatz von 50 % belastet. Er habe insgesamt 648.094,66 EUR auf das Konto der Vermittlerin bei der Beklagten eingezahlt.
Der Kläger hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 428.094,66 EUR zzgl. 4 % Zinsen aus 31.094,66 EUR seit dem 13.9.2001, aus 131.094,66 EUR seit dem 31.1.2002, aus 181.094,66 EUR seit dem 3.5.2002, aus 381.094,66 EUR seit dem 26.7.2002 und aus 428.094,66 EUR seit dem 1.4.2003 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Zuständigkeit des LG Frankfurt gerügt, da ihrer Auffassung nach die deutsche Gerichtsbarkeit nicht gegeben sei. Außerdem gelte englisches Recht. Durch den Vergleich mit der Firma A. seien etwaige Ansprüche ihr gegenüber ohnehin ausgeschlossen. Etwaige Ansprüche seien im Übrigen verjährt.
Das LG hat mit Urteil vom 15.7.2005 die Klage als unzulässig abgewiesen. Es hält sich für international unzuständig. Zur Begründung hat das LG ausgeführt, eine Zuständigkeit nach Art. 2 Abs. 1 EuGVVO sei nicht gegeben, da die Beklagte ihren Sitz in London (Großbritannien) und nicht in Deutschland habe. Auch scheide eine Zuständigkeit nach Art. 5 Ziff. 1 EuGVVO aus, da keine vertraglichen Ansprüche zwischen den Parteien bestehen würden. Vielmehr habe der Kläger nur einen Vermittlungsvertrag mit der Firma A. GmbH geschlossen, die wiederum mit der Beklagten als Kommissionärin Verträge geschlossen habe. Für einen Anspruch aus einem Vertrag mit Schutzwirkung zugunsten Dritter würden die Voraussetzungen nicht vorliegen, da der Kläger als Dritter keine Schadensersatzansprüche aus einer Verletzung von Sorgfalts- und Obhutspflichten seitens der Beklagten ggü. der Vermittlerin geltend machen wolle. Es sei auch unklar, welche Pflichten die Beklagte ggü. der Vermittlerin verletzt haben soll, zumal § 34a WpHG nur die Vermittlerin verpflichtete und nicht die Beklagte.
Eine Zuständigkeit nach Art. 5 Nr. 3 EuGVVO sei ebenfalls nicht begründet, da das Vorbringen des Klägers keine ausreichenden Anhaltspunkte für eine Beteiligung der Beklagten an einer unerlaubten Handlung der Firma A. GmbH biete. Die Vermittlung von Termingeschäften sei an sich noch nicht sittenwidrig. Erst die unterlassene Aufklärung oder das übertriebene Verschaffen von Provisionen führe zur Sittenwidrigkeit. Eine Tathandlung der Beklagten sei nicht erkennbar. Dass die Beklagte ein sog. Omnibuskonto führte, berge zwar eine abstrakte Gefahr durch die Vermischung von Anlagegeldern, was nach § 34a WpHG unzulässig sei. Wegen des abstrakten Regelungsgehalts dieser Norm könne aus einem Verstoß gegen diese Bestimmung nicht auf eine konkrete unerlaubte Handlung geschlossen werden.
Gegen dieses ihm am 21.7.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger mit einem am Montag, den 22.8.2005 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt, die er nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.10.2005 mit einem an diesem Tag eingegangenen Schriftsatz begründet hat.
Zur Begründung seines Rec...