Leitsatz (amtlich)
1. An dem erforderlichen Verfügungsgrund für die Geltendmachung eines markenrechtlichen Unterlassungsanspruchs fehlt es in der Regel nur dann, wenn der Markeninhaber längere Zeit untätig geblieben ist, obwohl er von der beanstandeten Verletzungshandlung positive Kenntnis hatte oder sich nach den Gesamtumständen der Kenntnisnahme bewusst verschlossen hat. Dagegen kann die bloße Koexistenz der in Rede stehenden Zeichen dem Verfügungsgrund allenfalls dann entgegenstehen, wenn diese Koexistenz über viele Jahre angedauert hat und der Markeninhaber auf das beanstandete Zeichen auch nicht durch eine Begegnung am Markt, sondern zufällig gestoßen ist (Bestätigung der Senatsrechtsprechung).
2. Zwischen einer für die Ware "elektronische Zigaretten" eingetragenen Wort-/Bildmarke mit dem Wortbestandteil "ELVAPO" und einem für dieselben Waren verwendeten Wort-/Bildzeichen mit dem Wortbestandteil "EVAPO" besteht - ungeachtet des beschreibenden Anklangs beider Wortbestandteile - Verwechslungsgefahr im markenrechtlichen Sinn.
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 02.11.2016; Aktenzeichen 3-8 O 85/16) |
Tenor
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 02.11.2016 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt a.M. wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.
Das Urteil ist rechtskräftig.
Gründe
I. Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin im einstweiligen Verfügungsverfahren wegen Verletzung ihrer nachfolgend wiedergegebenen Unionsmarke (im Folgenden "Verfügungsmarke"), hilfsweise wegen Verstoßes gegen ihr Unternehmenskennzeichen auf Unterlassung in Anspruch:
((Abbildung entnommen))
Die Verfügungsmarke genießt u.a. Schutz in Klasse 34 für "Elektronische Zigaretten, nicht für medizinische Zwecke; Mundstücke für Zigarettenspitzen; Raucherartikel; Zigaretten aus Tabakersatzstoffen, nicht für medizinische Zwecke; Zigarettenetuis und -dosen; gefüllte und unerfüllte Aroma-Etuis für elektronische Zigaretten, nicht für medizinische Zwecke; Zigarettenmundstücke; Tabakersatzstoffe, nicht für medizinische Zwecke, nämlich Flüssigkeiten für elektronische Zigaretten" (vgl. den Registerauszug ... A 2016).
Das Landgericht hat der Antragstellerin mit Beschluss - einstweiliger Verfügung - vom 15.06.2016 unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt,
((Abbildung entnommen))
Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin hat das Landgericht die Verbotsverfügung mit Urteil vom 02.11.2016 bestätigt. Es hat eine Verwechslungsgefahr zwischen den Kollisionszeichen unter Annahme einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft von "ELVAPO", Warenidentität und durchschnittlicher klanglicher Ähnlichkeit der seines Erachtens jeweils prägenden Wortbestandteile "ELVAPO" und "EVAPO" bejaht. Zu den Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe verwiesen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Antragsgegnerin.
Die Antragsgegnerin beantragt,
das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 2. November 2016, Aktenzeichen 3-08 O 85/16, zugestellt am 1. Dezember 2016, abzuändern und die einstweilige Verfügung vom 15. Juni 2016 aufzuheben.
Die Antragstellerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass der Unterlassungsanspruch insgesamt lediglich für das Gebiet Deutschlands geltend gemacht wird.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das angegriffene Urteil, die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vom 08.06.2017 Bezug genommen.
II. 1. Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das Urteil des Landgerichts vom 02.11.2016 ist unbegründet.
Das Landgericht hat dem Eilantrag der Antragstellerin zu Recht stattgegeben.
a) Es besteht ein Verfügungsgrund.
aa) Es lässt sich nicht feststellen, dass die Antragstellerin durch zu langes Zuwarten signalisiert hat, dass ihr die Sache nicht dringlich sei. Dies geht zu Lasten der Antragsgegnerin.
Nach gefestigter Senatsrechtsprechung gilt die Vorschrift des § 12 Abs. 2 UWG im Markenrecht zwar nicht analog, ihr liegt aber ein auf Markensachen übertragbarer allgemeiner Rechtsgedanke zugrunde, demzufolge der Markeninhaber aufgrund der von jeder Markenverletzung ausgehenden Gefährdung für die geschützte Marke ein berechtigtes Interesse daran hat, weitere Verletzungshandlungen im Wege des Eilrechtsschutzes zu unterbinden. Das Eilbedürfnis entfällt grundsätzlich nur, wenn der Markeninhaber längere Zeit untätig geblieben ist, obwohl er Kenntnis von den Tatsachen hatte, die die Markenverletzung begründen oder wenn er sich einer solchen Kenntnis bewusst verschlossen hat (vgl. z.B. OLG Frankfurt a.M. (U.v. 04.12.2014 - 6 U 141/14), Rn. 25 m.w.N, bei juris). Letzteres setzt einen konkreten Anlass zu Nachforschungen voraus. Eine allgemeine Marktbeobachtungflicht besteht nicht.
Eine solche Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis hat die Antragsgegnerin nicht schlüssig dargetan. Ihr Vortrag zum fehlenden Eilbedür...