Leitsatz (amtlich)
Arzthaftung: Kein Anspruch der Pflegemutter auf Verdienstausfall bei Aufnahme eines offensichtlich vernachlässigten Kleinkindes
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Kläger gegen das am XX.XX.2018 verkündete Urteil der ... Zivilkammer des Landgerichts Stadt4 wird zurückgewiesen.
Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das angefochtene Urteil des Landgerichts vom XX.XX.2018 und dieses Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Kläger dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des aufgrund des jeweiligen Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger zu 1) verlangt immateriellen und die Klägerin zu 2) materiellen Schadensersatz (mindestens 10.000,- Euro bzw. 146.683,05 Euro Verdienstausfall) von den Beklagten als Gesamtschuldnern wegen behaupteter ärztlicher Fehlbehandlung.
Der Kläger zu 1) wurde am XX.XX.2005 von einer minderjährigen ... geboren. Wegen Vernachlässigung erfolgte seine Inobhutnahme durch das Jugendamt. Anfang ... 2006 kam der Kläger zu 1) in Pflege der Klägerin zu 2) und ihres Ehemannes A, die ihn im ... 2010 adoptierten.
Die Pflegeeltern stellten den Kläger am XX.02.2006 bei der Beklagten zu 1) vor, die damals noch in zwei Praxen geteilt war. Ab dem XX.02.2006 erfolgte die Behandlung durch die dort angestellte Beklagte zu 2). Sie diagnostizierte bereits erstmals am 01.03.2006 eine "Entwicklungsstörung" des Klägers zu 1) (Behandlungsdokumentation K 3, Bl. 32 d. A.). Bei der Vorsorgeuntersuchung U5 am 12.05.2006 diagnostizierte sie eine Entwicklungsstörung der motorischen Funktionen und des Sprechens oder der Sprache (Behandlungsdokumentation K 3, Bl. 32 d. A.). Diese Diagnose wiederholte sie bei der Vorsorgeuntersuchung U6 am 10.10.2006 (Behandlungsdokumentation K 3, Bl. 33 d. A.). Der Kläger zu 1) war seit dem XX.02.2006 in kurativer Mitbehandlung der zweiten Praxis der jetzigen Gemeinschaftspraxis für Kinder- und Jugendmedizin mit dem Auftrag: "Homöopathie, Neuropädiatrie und Sono". Ab dem 24.09.2007 zeigten sich Schlafstörungen, Ruhelosigkeit und Erregung. Am 04.06.2009 diagnostizierte die Beklagte zu 2) erstmals und dann wiederholt bis zur Adoption und auch darüber hinaus eine nicht näher bezeichnete Persönlichkeits- und Verhaltensstörung sowie erstmals am 30.06.2009 eine Störung des Sozialverhaltens (Behandlungsdokumentation K 3, Bl. 35 - 41 d. A.). Sie behandelte den Kläger zu 1) wegen ADHS. Am 21.05.2012 überwies die Beklagte zu 2) den Kläger zu 1) kurativ an die Ambulanz1 der Kinder- und Jugendpsychiatrie Stadt1 mit Sitz in Stadt2 (Behandlungsdokumentation S. 8, Bl. 39 u. d. A.). Dort stellte sich der Kläger zu 1) am XX.05.2012, XX.08.2012 und XX.08.2012 vor. Die Ambulanz1 der Kinder- und Jugendpsychiatrie zog trotz des beschriebenen Alkoholkonsums der leiblichen Mutter des Klägers zu 1) nicht die Verdachtsdiagnose FAS in Erwägung (vgl. Arztbrief vom 13.09.2012, Bl. 259 ff. d. A.).
Am XX.01.2013 stellten die Eltern den Kläger zu 1) in der FAS-Ambulanz der B-Klinik GmbH vor, wo erkannt wurde, dass der Kläger zu 1) vom fetalen Alkoholsyndrom betroffen ist (Anlage K 1, Bl. 19 d. A.). C vom FASD-Zentrum Stadt3 diagnostizierte sodann am 11.08.2014 ein partielles fetales Alkoholsyndrom (pFAS) (Gutachten vom 11.08.2014, Anlage K 2, Bl. 21 ff. d. A.). Die Kläger haben sich den Inhalt des Gutachtens vom 11.08.2014 zu Eigen gemacht. Mit dem Vorwurf FAS nicht diagnostiziert zu haben, konfrontiert, dokumentierte die Beklagte zu 2) am 13.01.2014 unter anderem: "Ich weise darauf hin, dass Alkoholkonsum i. d. Schwangerschaft v. Anfang an bekannt gewesen sei... ." (Behandlungsdokumentation K 3, Bl. 44. d. A.).
Nach der Diagnose FAS wurde der Kläger zu 1) mit 3 Medikamenten behandelt, welche zumindest seine Aggressivität senkten. Daneben erhielt der Kläger zu 1) eine Inklusionshilfe, einen Begleiter im privaten Umfeld sowie die langfristige Begleitung durch einen Kinder- und Jugendpsychologen. Er ist nach wie vor motorisch unruhig und die sozialen Probleme - etwa Diebstähle - haben sich verändert. Alltägliche Handlungen, wie etwa das Duschen, bedürfen weiterhin der Kontrolle.
Die Klägerin zu 2) verzichtete vom XX.02.2006 bis zum XX.02.2009 auf ihre berufliche Tätigkeit als Beruf1. Vom XX.02.2009 bis XX.09.2009 arbeitete sie wieder, um ab XX.10.2009 ihre berufliche Vollzeittätigkeit endgültig aufzugeben. Seit November 2011 arbeitet sie auf Minijob-Basis. Die Klägerin zu 2) berechnet einen Verdienstausfallschaden vom XX.02.2006 bis XX.06.2016 in Höhe von 146.683,05 Euro.
Die Kläger haben behauptet, bereits bei den ersten Gesprächen hätten die Klägerin zu 2) und ihr Ehemann als Pflegeeltern der Beklagten zu 2) erklärt, es werde die Adoption des Klägers zu 1) unter der Bedingung angestrebt, dass er gesund sei. Die Beklagte zu...