Entscheidungsstichwort (Thema)

Missbräuchliche Berufung auf die Versäumung der Vollziehungsfrist (§ 929 II ZPO) nach Vollstreckungsvereitelung

 

Leitsatz (amtlich)

Ergibt sich aus den Gesamtumständen, dass der Antragsgegner die zum Zwecke der Vollziehung einer Unterlassungsverfügung erforderliche Zustellung an ihn gezielt vereitelt hat, ist es ihm unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben verwehrt, sich auf die Versäumung der Vollziehungsfrist zu berufen.

 

Normenkette

ZPO § 929 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 24.09.2015; Aktenzeichen 3-6 O 34/15)

 

Tenor

Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 24.9.2015 verkündete Urteil der 6. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt a.M. wird auf Kosten der Antragsgegnerin zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

 

Gründe

Von der Darstellung des Sachverhalts wird gemäß §§ 540 II i.V.m. 313a ZPO abgesehen.

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Ohne Erfolg macht die Antragsgegnerin geltend, die vom LG erlassene Beschlussverfügung vom 26.5.2015 sei wegen Versäumung der Vollziehungsfrist des § 929 II ZPO aufzuheben. Zwar hat die Antragstellerin diese - durch Zustellung der Beschlussausfertigung an den Antragstellervertreter am selben Tag in Lauf gesetzte - Frist versäumt; der Antragsgegnerin ist es jedoch nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf diese Fristversäumnis zu berufen.

Die Beschlussverfügung vom 26.5.2015 hätte innerhalb der Frist des § 929 II ZPO der Antragsgegnerin selbst zugestellt werden müssen, weil sich der jetzige Antragsgegnervertreter zu dieser Zeit noch nicht als Prozess- oder Zustellungsbevollmächtigter der Antragsgegnerin bestellt hatte. Eine solche Bestellung enthielt weder das auf die Abmahnung vom 13.5.2015 verfasste Antwortschreiben vom 15.5.2015 noch die beim Zentralen Schutzschriftenregister eingereicht Schutzschrift vom 20.5.2015. Im letzten Absatz dieser Schutzschrift hat der Antragsgegnervertreter ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er bislang weder mit der gerichtlichen Vertretung beauftragt noch zustellungsbevollmächtigt sei. Auch der weitere Inhalt der Schutzschrift enthält keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, die ungeachtet der genannten Erklärung am Ende des Schriftsatzes den Schluss auf eine Bestellung des Antragsgegnervertreters als Prozessbevollmächtigter rechtfertigen könnten. Insbesondere sind in der Schutzschrift keine Anträge gestellt worden; auch eine Rüge der örtlichen Unzuständigkeit ist nicht als solche erhoben, sondern lediglich mit der Anregung verbunden worden, die örtliche Zuständigkeit von Amts wegen zu prüfen (S. 3 der Schutzschrift). Eine andere Beurteilung rechtfertigt auch nicht der Umstand, dass das LG bei Erlass der einstweiligen Verfügung, in deren Tenor der Antragsgegnervertreter als Prozessbevollmächtigter der Antragsgegnerin aufgenommen worden ist, irrtümlich von einer Prozessvollmacht des Antragsgegnervertreters ausgegangen ist.

Die demnach erforderliche Zustellung der Beschlussverfügung an die Antragsgegnerin selbst ist innerhalb der Vollziehungsfrist nicht erfolgt. Der am 2.6.2015 durch die Gerichtsvollzieherin A unternommene Zustellungsversuch ist gescheitert.

Es kann auch nicht angenommen werden, dass der Zustellungsmangel gemäß § 189 ZPO innerhalb der Vollziehungsfrist geheilt worden ist. Dazu reicht es nicht aus, dass der Antragsgegnerin der Inhalt der beglaubigten Abschrift der Beschlussverfügung, die dem Antragsgegnervertreter anlässlich der Zustellung durch den Gerichtsvollzieher B am 5.6.2015 übergeben worden ist (Anlage AST 8), bekannt geworden ist; vielmehr hätte das zugestellte Dokument selbst der Antragsgegnerin innerhalb der Vollziehungsfrist tatsächlich zugegangen sein müssen. Davon kann nicht ausgegangen werden, nachdem der Antragsgegnervertreter vorgetragen hat, das Original des zugestellten Dokuments befinde sich heute noch in seinen Handakten, da er sich zu einer Weiterleitung an die Antragsgegnerin nicht als berechtigt angesehen habe (Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 23.9.2015, S. 3).

Die Vollziehung der Beschlussverfügung ist allerdings in dem Augenblick als erfolgt anzusehen, als die Antragsgegnerin dem Antragsgegnervertreter, an den die Zustellung bereits erfolgt war und der auch weiterhin im Besitz der zugestellten beglaubigten Ausfertigung der Beschlussverfügung war, unter dem 9.7.2015 Prozessvollmacht für den vorliegenden Rechtsstreit erteilt hat (Anlage zum Schriftsatz des Antragsgegnervertreters vom 2.9.2015). Die Zustellung der Unterlassungsverfügung zum Zweck der Vollziehung soll dem Schuldner unmissverständlich verdeutlichen, dass der Gläubiger von dem erwirkten Unterlassungstitel Gebrauch machen will. Dieser Zweck wird auch erreicht, wenn einem Rechtsanwalt, dem die gegen einen anderen gerichtete Verfügung - ersichtlich in der Annahme des Bestehens einer Prozessvollmacht - bereits zugestellt worden ist, sodann eine solche Prozessvollmacht tatsächlich erteilt wird. Denn infolge dieser Prozessvollmacht ist dem Schu...

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