Entscheidungsstichwort (Thema)

Internationaler Straßengüterverkehr: Schadensersatzanspruch wegen Überschreitens der vereinbarten Transporttemperatur bei Tiefkühlware

 

Leitsatz (amtlich)

1. Unter dem Begriff der Beschädigung im Sinne von Art. 17 Abs. 1 CMR fallen auch Qualitätsminderungen infolge einer nicht durchgängigen Einhaltung der erforderlichen Transporttemperatur.

2. Die Nichteinhaltung der gesetzlichen Temperaturvorgaben hinsichtlich der Lagerung von Tiefkühlware begründet zugleich einen als Beschädigung des Frachtguts zu bewertenden Verdacht einer Substanzveränderung.

3. Bei Kühltransporten muss der Frachtführer nicht nur ein geeignetes Transportfahrzeug zur Verfügung stellen, sondern er muss außerdem während des Transportes mit verkehrserforderlicher Sorgfalt dafür sorgen, dass die richtige Temperatur laufend eingehalten wird.

4. Fällt dem Fahrer während des sich über zwei Tage erstreckenden Transports nicht auf, dass das Kühlaggregat nicht ordnungsgemäß arbeitet und der Laderaum weit erhöhte Temperaturen aufweist, begründet dies ein vorsatzgleiches Verschulden im Sinne des Art. 29 CMR.

 

Normenkette

CMR Art. 23, 25, 29; HGB § 435

 

Verfahrensgang

LG Darmstadt (Urteil vom 24.09.2019; Aktenzeichen 12 O 15/18)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin wird - unter Zurückweisung der Berufung und der Anschlussberufung im Übrigen - das am 24.9.2019 verkündete Urteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Darmstadt teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 54.371,04 EUR nebst 5 % Zinsen p.a. seit dem 5.8.2017 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits (erstinstanzliches Verfahren und Berufungsverfahren) haben die Klägerin 10 % und die Beklagte 90 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Gebührenstreitwert des Berufungsverfahrens wird auf 60.371,04 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz eines Güterschadens aus einem zwischen den Parteien geschlossenen Vertrag über die Beförderung von Tiefkühlware in Anspruch.

Im Dezember 2016 verkaufte die A1 GmbH, Stadt1, 29 Paletten tiefgekühlter Burgerfleisch-Patties an die B S.A.R.L., Stadt2, Frankreich (nachfolgend "Käuferin"). Die Klägerin wurde von der Käuferin mit dem Transport der Ware von Stadt3 nach Stadt4, Frankreich, beauftragt.

Die Klägerin beauftragte ihrerseits die Beklagte am 8.12.2016 mit dem Transport der Burgerfleisch-Patties von Stadt3 nach Stadt4. Der Transportauftrag (Anlage K 1, Bl. 13 d. A.) sah eine Transporttemperatur von -25°C vor. Die Beklagte beauftragte sodann die in Bulgarien ansässige Firma X Ltd. mit der Durchführung des Transports.

Die Burgerfleisch-Patties wurden am 29.11. und 1.12.2016 von der A2 GmbH in Stadt1 hergestellt. Hinsichtlich des Zustands der Ware wird auf die Prüfprotokolle (Bl. 122 ff. d. A.) und das Temperaturprotokoll (Bl. 126 d. A.) Bezug genommen. Am 29.11., 30.11. sowie 1.12.2016 wurden die Burgerfleisch-Patties von Stadt1 nach Stadt3 verbracht, insofern wird auf die Lagerbestandsliste in Stadt3 (Bl. 127 ff. d. A.), die Containerlieferscheine (Bl. 141 ff. d. A.) und die Temperaturprotokolle (Bl. 492 ff. d. A.) Bezug genommen. Anschließend wurden die Burgerfleisch-Patties bis zum 14.12.2016 in Stadt3 bei Temperaturen unter -21° C gelagert (Temperaturprotokoll Lager Bl. 16 d. A.).

Die Firma X Ltd. übernahm die Sendung am 14.12.2016 gegen 11 Uhr im Lager in Stadt1. Aufgrund eines defekten Kühlsystems des eingesetzten Fahrzeugs beliefen sich die Temperaturen im Kühlauflieger zum Zeitpunkt der Übernahme auf -14,1°bis -15,2° C und stiegen in der Folgezeit bis auf -1° C an. Bei zwischenzeitlichem Funktionieren der Kühlung wurde zwischen 22:21 Uhr und 22:36 Uhr eine Transporttemperatur von -25° C erreicht, hiernach stiegen die Temperaturen erneut bis auf Werte knapp unter 0° C an. Hinsichtlich der Einzelheiten des Temperaturverlaufs wird auf das Temperaturprotokoll (Anlage K 8, Bl. 21 ff. d. A.) Bezug genommen. Nachdem die Beklagte der Klägerin schließlich am 15.12.2016 den Defekt der Kühlung meldete, organisierte die Klägerin eine Möglichkeit der Zwischenlagerung des Frachtguts in Stadt5, Frankreich. Bei Ankunft der Burgerfleisch-Patties in Stadt5 am 15.12.2016 um 19:47 Uhr wurde eine Warenkerntemperatur zwischen -14° C und -14,8° C gemessen und handschriftlich auf dem Frachtbrief (Anlage K 6, Bl. 18 d. A.) sowie dem Lieferschein (Anlage K 7, Bl. 19 ff. d. A.) vermerkt.

Das Landgericht hat über die Behauptung der Klägerin, das Frachtgut habe sich zum Zeitpunkt der Übergabe an die Firma X Ltd. in ordnungsgemäßem Zustand befunden und sei insbesondere ...

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