Entscheidungsstichwort (Thema)

Diesel-Skandal: Unzulässigkeit eines Thermofensters; Ersatz des Differenzschadens

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die vorsätzliche Förderung einer fahrlässigen Tat erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 830 Abs. 2 BGB.

2. Da es sich bei der Umstellung des Klageantrags von "großem Schadensersatz" auf den sog. Differenzschadenersatzanspruch lediglich um einen Wechsel der Art der Schadensberechnung handelt, sind Rechtshängigkeitszinsen ggf. ab dem auf die Zustellung der ursprünglichen Klage folgender Tag (§ 187 Abs. 1 BGB analog) zuzusprechen.

 

Normenkette

BGB § 187 Abs. 1, §§ 291, 823 Abs. 2, §§ 826, 830 Abs. 2; EG-FGV § 6 Abs. 1; EG-FVG § 27 Abs. 1; Verordnung (EG) Nr. 715/2007 Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2; ZPO § 92 Abs. 1, § 138 Abs. 1, § 287 Abs. 1, § 525 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Frankfurt am Main (Urteil vom 25.01.2022; Aktenzeichen 2/21 O 180/18)

 

Tenor

Die Entscheidung ist nicht anfechtbar.

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 21. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 25. Januar 2022 unter Zurückweisung der weitergehenden Berufung des Klägers abgeändert.

Die Beklagte zu 1 wird verurteilt, an den Kläger EUR 5.653,67 zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit dem 14. Juni 2018 zu zahlen.

Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen.

Die Gerichtskosten im ersten Rechtszug hat der Kläger zu 95 % und die Beklagte zu 1 zu 5 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers im ersten Rechtszug hat die Beklagte zu 1 zu 5 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 im ersten Rechtszug hat der Kläger zu 90 % zu tragen.

Die Gerichtskosten im zweiten Rechtszug hat der Kläger zu 93 % und die Beklagte zu 1 zu 7 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Klägers im zweiten Rechtszug hat die Beklagte zu 1 zu 7 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1 im zweiten Rechtszug hat der Kläger zu 86 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2 in beiden Rechtszügen hat der Kläger zu tragen.

Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil und von der Darstellung etwaiger Änderungen und Ergänzungen wird gemäß den §§ 540 Abs. 1, 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die zulässige Berufung des Klägers erzielt in der Sache im Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten zu 1 den aus den Tenor ersichtlichen Teilerfolg (1). Im Prozessrechtsverhältnis zur Beklagten zu 2 bleibt die Berufung hingegen ohne Erfolg (2).

1. Zwar stehen dem Kläger gegen die Beklagte zu 1 keine Ansprüche aus § 826 BGB zu (b). Der Kläger hat jedoch gegen die Beklagte zu 1 einen Anspruch in Höhe von EUR 5.653,67 aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV (c).

a. Soweit der Kläger im zweiten Rechtszug mit dem zunächst in der mündlichen Verhandlung vom 28. September 2023 (Bl. 723 RS) gestellten und in der mündlichen Verhandlung vom 21. März 2024 (Bl. 801 d. A.) wiederholten Antrag zu 1 nunmehr statt des bisher geltend gemachten sog. "großen" Schadensersatzanspruchs den sog. "kleinen" Schadensersatz geltend macht, ist dies auch ohne Einwilligung der Beklagten möglich. Eine Klageänderung gemäß § 533 ZPO liegt bei einem Wechsel von der Geltendmachung des "großen" auf den "kleinen" Schadensersatzanspruch nicht vor, da es insoweit lediglich um die Berechnungsmethode in Bezug auf den Schaden geht. Wechselt der Geschädigte die Art der Schadensberechnung, ohne seinen Antrag auf einen abgewandelten Lebenssachverhalt zu stützen, liegt hierin gerade keine Klageänderung (vgl. etwa BGH, Urteil vom 09.10.1991 - VIII ZR 88/90 -, BGHZ 115, 286, 289 ff.; Urteil vom 09.05.1990 - VIII ZR 237/89 -, WM 1990, 1748, 1749 f.; Urteil vom 23.06.2015 - XI ZR 536/14 -, NJW 2015, 3160, 3161; Senat, Urteil vom 06.03.2023 - 26 U 65/22 -, juris; Urteil vom 08.09.2023 - 26 U 44/21 -, juris; OLG Saarbrücken, Urteil vom 26.01.2022 - 2 U 139/21 -, juris; OLG Köln, Urteil vom 23.08.2022 - I-3 U 190/21 -, juris). Es handelt sich bei Beanspruchung des Minderwerts lediglich um eine andere Bemessung des Vertrauensschadens (vgl. etwa BGH, Urteil vom 24.01.2022 - VIa ZR 100/21 -, NJW-RR 2022, 1033, 1034; Senat, Urteil vom 06.03.2023 - 26 U 65/22 -, juris; Urteil vom 08.09.2023 - 26 U 44/21 -, juris; OLG Köln, Urteil vom 23.08.2022 - I-3 U 190/21 -, juris).

b. Ansprüche aus § 826 BGB stehen dem Kläger gegen die Beklagte zu 1 nicht zu.

Nach dieser Bestimmung ist derjenige, der in einer gegen die guten Sitten verstoßenden Weise einem anderen vorsätzlich Schaden zufügt, dem anderen zum Ersatz des Schadens verpflichtet.

Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und ein...

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