Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung von Ansprüchen auf Minderung und Schadenersatz wegen Verletzung der Konkurrenzschutzpflicht bei jahrelanger vorbehaltloser Weiterzahlung der Pacht
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 13.03.2003; Aktenzeichen 13 O 136/02) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 2. Kammer für Handelssachen des LG Wiesbaden vom 13.3.2003 wird - soweit nicht der Rechtsstreit durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Beklagten zu 1) unterbrochen ist - zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Wegen des Räumungsanspruches können die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 320.000 Euro und wegen der sonstigen Ansprüche gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin errichtet und verpachtet bundesweit Tank- und Rastanlagen an den Bundesautobahnen. Die Beklagte zu 2) war aufgrund eines Pachtvertrages von Oktober 1969 mit der Rechtsvorgängerin der Klägerin, der Gesellschaft für N. der Bundesautobahnen mbH, Pächterin der Raststätte W. in M. (Ost). Ab 1992 wurde das Vertragsverhältnis mit der Beklagten zu 1) fortgesetzt, deren Gesellschafter die Beklagten zu 2) und 3) sind. Am 16./21.11.1995 schlossen die Beklagten zu 1)-3) einen Anschluss-Pachtvertrag. Daneben wurde ein Kooperationsvertrag abgeschlossen. Nach dem Pachtvertrag sind neben einer monatlichen Fixpacht weitere, umsatzabhängige Beträge zu zahlen. Die Fixpacht kann bei Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse herabgesetzt werden. Der Beklagte zu 4) ist Insolvenzverwalter der Beklagten zu 1), über deren Vermögen mit Beschluss vom 1.10.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde (Bl. 1001 d.A.).
Ursprünglich war es den Tankstellenverwaltern vertraglich untersagt, Waren zum Verkauf vorrätig zu halten und anzubieten, die zum sog. Erfrischungsdienst gehören (Anlage B5). Ausdrücklich hieß es in den zunächst verwandten Tankstellenverwalter-Verträgen, die Verkehrsteilnehmer seien "zur Befriedigung ihrer Wünsche an die Raststätte zu verweisen (§ 10)". Ab 1981 war den Tankstellen der Betrieb eines sog. "Erfrischungsdienstes" gestattet. In den seit 1.1.1991 gebräuchlichen Vertragsformularen ist keine Beschränkung des Warenangebotes im Sortiment der Tankstellen mehr vorgesehen. Mit Rundschreiben vom 10.1.1991 (Anlage B11) machte die Rechtsvorgängerin der Klägerin die Tankstellen- und die Raststättenpächter auf den Wegfall der Sortimentsabgrenzung aufmerksam. Das Speiseangebot in der Tankstelle M.-Ost wurde nach und nach erweitert. Die Beklagten sehen hierin eine Existenzbedrohung ihrer Raststätte.
Mit Vereinbarung vom 12.9.2000 wurde die monatliche Fixpacht von 26.700 DM auf 20.000 DM bis zum Ende des Pachtverhältnisses, das zum 31.12.2003 vereinbart wurde, reduziert.
Seit September 2000 haben die Beklagten zu 1)-3) keine Fixpacht und keine Gebühren für die Systemführung an die Klägerin bezahlt. Wegen des Zahlungsrückstands hat die Klägerin den Pachtvertrag mit Schreiben vom 25.11.2002 außerordentlich zum 30.11.2002 gekündigt und Zahlungs- sowie Räumungsklage erhoben.
Die Beklagten zu 1)-3) haben widerklagend Schadensersatz i.H.v. 2.086.319,47 Euro wegen entgangenen Gewinns verlangt. Zur Begründung haben sie vorgetragen, durch das zunehmende Angebot von Speisen und Getränken in dem Tank-Shop der Tankstelle M.-Ost seien die Umsätze der Raststätte seit 1994 stetig zurückgegangen. Die Klägerin verstoße gegen ihre vertragsimmanente Verpflichtung zum Konkurrenzschutz. Auf der gleichen Rastanlage dürfe, so meinen die Beklagten, keine direkte Konkurrenz zu ihrem Betrieb zugelassen werden.
Das LG hat der Klage stattgegeben und die Widerklage abgewiesen. Wegen der Begründung und des weiter gehenden Sach- und Streitstandes im ersten Rechtszug wird auf das Urteil vom 13.3.2003 (Bl. 541 ff. d.A.) Bezug genommen.
Gegen das ihnen am 27.3.2003 zugestellte Urteil haben die Beklagten zu 1)-3) am 25.4.2003 Berufung eingelegt und diese innerhalb der entsprechend verlängerten Begründungsfrist am 23.6.2003 begründet.
Mit Schriftsatz vom 14.10.2003 hat der Beklagte zu 4) den Rechtsstreit für die Beklagte zu 1) - jedoch lediglich hinsichtlich der Widerklage und der Verteidigung gegen den Räumungsanspruch - aufgenommen.
Die Beklagten meinen, sie hätten Anspruch auf Konkurrenzschutz. Das LG habe verfahrensfehlerhaft unterstellt, dass sie, die Beklagten zu 1)-3), bei Abschluss des Anschluss-Pachtvertrages im November 1995 Kenntnis von einer bereits vorhandenen Wettbewerbssituation gehabt hätten. Im November 1995 habe es in Bezug auf Artikel des Hauptsortiments aber noch keine konkurrierende Vertriebstätigkeit durch die Tankstelle gegeben. Vor 1996 habe die Tankstelle nur Produkte verkauft, die in den Bereich des Nebenartikelsortiments der Raststätte fielen, nämlich verpackten...