Entscheidungsstichwort (Thema)
Irreführung über Übertragungsgeschwindigkeiten innerhalb eines Mobilfunknetzes
Leitsatz (amtlich)
1. Die Bezeichnung eines Mobilfunknetzes als "100 MBit/s LTE Netz" erweckt beim angesprochenen Verkehr die Erwartung, dass zu normalen Tageszeiten und an allen Orten, die über Mobilfunk gewöhnlich gut erreichbar sind, Übertragungsraten erreicht werden, die im Durchschnitt weit über 50 Mbit/s liegen und gelegentlich 100 MBit/s nahezu erreichen; trifft dies nicht zu, ist die Werbung irreführend.
2. Die Verjährungshemmung eines gegen die konkrete Verletzungsform gerichteten Eilantrages tritt nur für solche Beanstandungen ein, die in der Antragsschrift zur Begründung des Unterlassungsbegehrens genannt sind. Dafür reicht es im Fall eines Irreführungsvorwurfs aus, dass der maßgebliche Irreführungsgesichtspunkt hinreichend umschrieben ist.
Normenkette
UWG § 5; BGB § 204 Abs. 1 Nr. 9
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 28.04.2015; Aktenzeichen 3-10 O 152/13) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das am 28.4.2015 verkündete Urteil der 10. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über irreführende Äußerungen in einem ...-Werbespot.
Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet der Telekommunikation. Beide Parteien unterhalten Mobilfunknetze in Deutschland und verfügen über Frequenzen des Mobilfunkstandards LTE (Long Term Evolution).
Die Beklagte warb Anfang 2013 in einem bundesweit ausgestrahlten ...-Werbespot phonetisch mit der Aussage: "Wechseln sie jetzt ins größte 100 MBit LTE-Netz Deutschlands". Visuell erfolgte dazu eine Einblendung, in der auf "Das größte 100 MBit/s Netz" hingewiesen wird. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die CD-ROM (Anlage K3) und das Story Board (Anlage K4) Bezug genommen.
Die Klägerin ist der Ansicht, diese Werbeaussagen seien aus mehreren Gründen irreführend. Sie hat behauptet, eine Datenübertragungsgeschwindigkeit von 100 MBit/s lasse sich im LTE-Netz der Beklagten nur theoretisch und nur in vereinzelten Ballungsgebieten erzielen. Es sei auch unrichtig, dass die Beklagte über das "größte" LTE-Netz verfüge.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 S. 1 ZPO).
Das LG hat die Beklagte bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr mit den Angaben zu werben oder werben zu lassen:
"Wechseln Sie jetzt ins größte 100 MBit LTE-Netz Deutschlands" und/oder "Das größte LTE 100 MBit/s-Netz", wenn dies geschieht wie in dem ...-Spot, vorgelegt auf CD-ROM als Anlage K3 und dokumentiert durch das Storyboard gemäß Anlage K4 zur Klageschrift.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Berufung der Beklagten. Im Berufungsrechtszug wiederholen und vertiefen die Parteien ihr Vorbringen.
Die Beklagte beantragt, das Urteils des LG Frankfurt vom 28.04.2015, Az. 3/10 O 152/13 aufzuheben und die Klage abzuweisen, oder den Rechtsstreit an das LG zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein rechtlich unbeachtliches sog. "Nicht-Urteil" bzw. ein nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 310 ZPO verkündetes Urteil vor. Ein Urteil wird durch seine förmliche Verlautbarung mit allen prozessualen und materiell-rechtlichen Wirkungen existent. Unschädlich ist, dass das Urteil des LG nicht binnen drei Wochen nach der mündlichen Verhandlung, sondern erst nach einem Jahr verkündet wurde. Bei § 310 I S. 2 ZPO handelt es sich um eine bloße Ordnungsvorschrift. Die Wirksamkeit des Urteils hängt von der Einhaltung der Regelfrist nicht ab (BGH NJW 1999, 143). Soweit der Verkündungstermin vom 19.11.2014 ohne Verkündung einer Entscheidung verstrichen ist, wurde der Verfahrensfehler durch die Nachholung der Verkündung am 28.4.2015 geheilt (vgl. BGH NJW 2004, 2019, 2020 [BGH 12.03.2004 - V ZR 37/03]). Die Mindesterfordernisse der Verlautbarung einer Entscheidung wurden bei diesem Termin, der den Parteien vorher mitgeteilt wurde, gewahrt.
2. Der auf Unterlassung gerichtete Klageantrag ist hinreichend bestimmt (§ 253 II Nr. 2 ZPO). Der Antrag nimmt Bezug auf die konkrete Verletzungsform (Anlagen K3, K4). Ohne Erfolg rügt die Beklagte, er habe keinen vollstreckbaren Inhalt, weil sich nicht feststellen lasse, mit welcher erzielten Durchschnittsgeschwindigkeit der Verbotsbereich verlassen werde. Der Antrag ist auf das Verbot einer konkreten Werbebehauptung gerichtet ("größtes 100 MBit LTE-Netz ..." bzw. "größ...