Entscheidungsstichwort (Thema)
Prospektangaben zur Fungibilität der Anteile an geschlossenem Immobilienfonds
Leitsatz (amtlich)
1. Die Angabe im Prospekt zu einem geschlossenen Immobilienfonds, ein organisierter Markt wie etwa eine Aktienbörse bestehe für Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds "derzeit" nicht, ist für sich genommen nicht als Prognose dahin zu verstehen, ein derartiger Markt werde in absehbarer Zeit errichtet werden (Abgrenzung zu OLG Köln, Urt. v. 19.7.2011 - 24 U 172/10, BeckRS 2011, 22969).
2. Der Erwerber derartiger Fondsanteile muss nicht explizit über die Selbstverständlichkeit belehrt werden, dass der bei einer späteren Weiterveräußerung der Anteile erzielbare Preis unsicher und mit einer Verkäuflichkeit zum Nennwert nicht ohne weiteres zu rechnen ist.
Normenkette
BGB § 276
Verfahrensgang
LG Gießen (Urteil vom 22.11.2011; Aktenzeichen 3 O 470/10) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin und des Drittwiderbeklagten gegen das am 22.11.2011 verkündete Urteil der 3. Zivilkammer des LG Gießen wird zurückgewiesen.
Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Das Urteil des LG ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Das vorliegende Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin verlangt von dem Beklagten als Gründungsgesellschafter des geschlossenen A-Immobilienfonds Nr ... aus eigenem und abgetretenem Recht ihres Ehemanns, des Drittwiderbeklagten, Schadensersatz und Rückabwicklung ihrer Beteiligung an dem Fonds unter dem Gesichtspunkt der Haftung des Gründungsgesellschafters für in verschiedener Hinsicht unzureichende Information und Beratung. Der Beklagte begehrt mit der Drittwiderklage die Feststellung, dass dem Drittwiderbeklagten insoweit keine Ansprüche zustehen. Der Anlageentscheidung beider Eheleute ging ein Beratungsgespräch des Drittwiderbeklagten mit seinem damaligen Vermögensberater, dem Zeugen Z1, am 14.11.1991 voraus, dessen Inhalt ebenso streitig ist wie die Frage, ob Z1 dem Drittwiderbeklagten den Prospekt (Bl. 205 ff. d.A.) bei dieser Gelegenheit aushändigte oder erst deutlich später - nach Unterzeichnung des Beitrittsscheins durch den Drittwiderbeklagten im Laufe des Beratungsgesprächs, durch die Klägerin danach zuhause - übersandte. Im Prospekt heißt es auf S. 23 des Teils B unter "Chancen und Risiken der Kapitalanlage" zu Punkt 1.2 Fungibilität:
"Die Beteiligung an diesem Immobilienfonds ist als langfristiges Engagement konzipiert. Die Kündigungsmöglichkeit ist im Interesse der kontinuierlichen Entwicklung des Gesellschaftszwecks eingeschränkt. Grundsätzlich kann jeder Anleger über seine Beteiligung frei verfügen. Ein organisierter Markt, wie etwa die Aktienbörse, existiert derzeit für Beteiligungen an geschlossenen Immobilienfonds nicht.
Der Prospektherausgeber möchte mit diesem Angebot nicht den Immobilienspekulanten oder Wiederverkäufer, sondern den langfristig Planenden ansprechen. Den Sinn dieses Immobilienangebots sieht der Prospektherausgeber in der langfristigen Überlegenheit von Immobilien beim Vermögensaufbau und nicht im mittelfristigen Verkauf. Die Erzielung lebenslanger Erträge aus den Mieteinnahmen sollte dem Interesse an der Realisierung kurzfristiger Wertsteigerungen vorgehen."
Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte haben die Beratung durch den Zeugen Z1insbesondere in dieser Hinsicht beanstandet. Der Zeuge habe im o.g. Beratungsgespräch angegeben, die Beteiligung sei jederzeit zum Nennwert an einer Börse in O1 zu verkaufen.
Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.
Das LG hat nach einer persönlichen Anhörung des Drittwiderbeklagten und einer Vernehmung des Zeugen Z1 die Klage abgewiesen und der Drittwiderklage stattgegeben. Mit ihrer Berufung rügen die Klägerin und der Drittwiderbeklagte eine fehlerhafte Beweiswürdigung und meinen, der Prospekt habe Anlageinteressenten über die unzureichende Fungibilität der Anlage, die absehbaren Schwierigkeiten bei einem späteren Verkauf der Fondsanteile unzureichend belehrt.
Die Klägerin und der Drittwiderbeklagte beantragen,
1. das landgerichtliche Urteil aufzuheben, die Drittwiderklage abzuweisen, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 59.360,99 EUR zzgl. Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszins p. a. seit 30.12.2009 Zug um Zug gegen Abtretung sämtlicher Ansprüche der Klägerin und des Drittwiderbeklagten B gegen die A-Immobilienfonds Nr ... GbR aus der Beteiligung vom 14.11.1991 mit einer ursprünglichen Nominalbeteiligungssumme von 100.000 DM zu bezahlen, festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der in Satz 1 näher bez...