Entscheidungsstichwort (Thema)

Aufklärung vor chiropraktischer Behandlung an der Halswirbelsäule

 

Normenkette

BGB § 823

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Urteil vom 06.06.2013; Aktenzeichen 7 O 1258/10)

 

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Hanau vom 6.6.2013 - 7 O 1258/10, wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das angefochtene Urteil und das Berufungsurteil sind vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Von einer Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil mit Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II.A. Die Berufung des Beklagten ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach § 511 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO statthaft. Die Einlegungs- und die Begründungsfrist wurde gewahrt.

B. Die Berufung des Beklagten ist nicht begründet.

Der Beklagte hat nicht bewiesen, den Kläger vor der chiropraktischen Heilbehandlung an der Wirbelsäule ordnungsgemäß aufgeklärt zu haben. Er haftet daher unter dem Gesichtspunkt der eigenmächtigen Behandlung, da die durchgeführte chirotherapeutische Maßnahme vom ... 2010 nicht von einer wirksamen Einwilligung getragen war (§§ 630e Abs. 1 und 2, 630d BGB) und sich ein aufklärungspflichtiges Risiko verwirklicht hat.

1. Nach der informatorischen Anhörung der Parteien sowohl in der ersten als auch der zweiten Instanz steht zur Überzeugung des Senats fest, dass bei dem Kläger von einer durchgeführten Manipulation - und nicht von einer Mobilisation - der Halswirbelsäule auszugehen ist.

Der Sachverständige A hat in seinem Gutachten vom 30.7.2012 (Bl. 109 ff., hier Bl. 139 f.) sowie in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 22.2.2013 (Bl. 181 ff., hier Bl. 188) ausgeführt, dass bei der Manipulation im Gegensatz zu der Mobilisation mit geringer Kraft Impulse hoher Geschwindigkeit und kleiner Amplitude vermittelt werden. Die Manipulation arbeite mit einem einmaligen, wenn auch kleinen Impuls sehr hoher Geschwindigkeit. Bei der Mobilisation werde eine passive, meist wiederholende Bewegung durch Entlastung und/oder Gleitbewegungen mit geringer Geschwindigkeit und zunehmendem Ausmaß zur Vergrößerung des eingeschränkten Bewegungsraumes angewandt. Hierbei werde mit langsamen Bewegungen bis an den Punkt herangegangen, an dem die Spannung zunehme. Der Sachverständige legt in seinem Gutachten weiter dar, dass der Kläger einen Vorgang beschreibt, der eher zu einer Manipulation passe (Bl. 144). Im Übrigen führt er in seiner ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme vom 22.3.2013 aus, dass im Falle einer durchgeführten Mobilisation das Auftreten eines dadurch bedingten traumatischen Bandscheibenvorfalls mit radikulärem Nervenkompressionssyndrom nicht zu erwarten sei (Bl. 194).

Der Kläger hat in seiner informatorischen Anhörung in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 2.12.2014 ausgeführt, dass der Beklagte den Kopf zwischen beide Hände genommen, ihn mehrmals nach links und rechts bewegt und ihn dann links hoch gezogen habe. Des Weiteren hat er in seiner informatorischen Anhörung vor dem LG in der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2011 (Bl. 74 ff.) dargelegt, dass der Beklagte eine Bewegung mit dem Kopf nach links durchgeführt habe und er dabei ein leichtes Knacken verspürt habe. Wie der Sachverständige A ausgeführt hat, wird bei der Mobilisation eine passive, meist wiederholende Bewegung durch Entlastung und/oder Gleitbewegungen mit geringer Geschwindigkeit und zunehmendem Ausmaß zur Vergrößerung des eingeschränkten Bewegungsraumes angewandt. Hierbei wird mit langsamen Bewegungen bis an den Punkt herangegangen, an dem die Spannung zunehme. Insoweit der Kläger ein Hochziehen des Kopfes nach links beschreibt, fehlt es nach Ansicht des Senats an einer passiven, wiederholenden Bewegung, so dass hierin - bei ansonsten möglicherweise durchgeführter Mobilisation - eine Manipulation zu sehen ist. Auch der Sachverständige hat in Kenntnis der Ausführungen des Klägers vor dem LG und den Ausführungen des Klägers anlässlich seiner informatorischen Anhörung in seinem Gutachten dargelegt, dass der Kläger einen Vorgang beschreibe, der eher zu einer Manipulation passe (Bl. 144). Im Übrigen spricht auch der tatsächlich zeitnah eingetretene streitgegenständliche Bandscheibenvorfall für die Vornahme einer Manipulation. Hierzu stehen die Ausführungen des Beklagten in seiner informatorischen Anhörung vor dem LG in der mündlichen Verhandlung vom 21.6.2011 (Bl. 74 ff.) auch nicht in zwingendem Widerspruch. Denn er hat insoweit ausgeführt, nach einer leichten Rotation des Kopfes diesen leicht nach oben gezogen zu haben.

Hinsichtlich des genauen Behandlungsablaufes ist allerdings davon auszugehen, dass der Kläger als Patient hieran genauere konkrete Erinnerungen hat als der Beklagte als Arzt, der täglich eine Vielzahl von Patienten zu behandeln hat. Dieser dürfte sich damit kaum an genaue Einzelheiten einer stattgehabten, länger zurückliegenden Behandlung erinnern können. Vi...

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