Leitsatz (amtlich)
1. § 21 Abs. 1 FinDAG ist dahin auszulegen, dass auch Schadensersatzpflichten der Bundesrepublik Deutschland aus Amtspflichtverletzungen der Bediensteten des früheren Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen auf die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht übergehen.
2. Der Geschädigte büßt seinen Amtshaftungsanspruch nicht dadurch ein, dass er auf die Einlegung eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO verzichtet, dessen Erfolgsaussichten zweifelhaft sind und der einen Großteil des absehbaren Schadens nicht abwenden könnte.
3. Der Geschäftsleiter einer Bank, der von dieser auf Aufforderung des Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen abberufen und entlassen worden ist, kann nicht auf eine anderweitige Ersatzmöglichkeit bei der Bank verwiesen werden (Anschluss an BGH v. 15.7.2004 - IX ZR 262/00, BGHReport 2004, 1549 = NotBZ 2004, 341 = MDR 2004, 1264 = NJW-RR 2004, 1704 ff.).
Normenkette
BGB § 839 Abs. 1 S. 2, Abs. 3; FinDAG § 21 Abs. 1; VwGO § 80 Abs. 5
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 09.09.2005; Aktenzeichen 2-4 O 373/04) |
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das am 9.9.2005 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG Frankfurt/M. abgeändert.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch den Abberufungsbescheid des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 2.6.1998 entstanden sind und künftig entstehen werden.
Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Streithelferin der Beklagten hat ihre außergerichtlichen Kosten selbst zu tragen. Die übrigen Kosten des Rechtsstreits einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Streithelfers des Klägers hat die Beklagte zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger war Mitglied des Vorstandes der ...-bank. Das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen forderte diese mit Bescheid vom 2.6.1998 dazu auf, den Kläger wegen vermeintlich mangelnder fachlicher Eignung als Geschäftsleiter abzuberufen. Die ...-bank. folgte dem und kündigte das bereits im Jahre 1997 zum 31.3.1999 ordentlich gekündigte Beschäftigungsverhältnis mit dem Kläger außerordentlich und fristlos am 9.7.1998. Es gelang dem Kläger in der Folgezeit nicht, eine vergleichbare Beschäftigung zu finden. Mit rechtskräftigem Urteil vom 18.9.2001 stellte das VG Berlin fest, dass der Bescheid des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 2.6.1998 rechtswidrig gewesen ist. Der Kläger nimmt die Beklagte als Rechtsnachfolgerin der Bundesrepublik Deutschland, die Trägerin des ehemaligen Bundesaufsichtsamts für das Kreditwesen war, auf Ersatz seines materiellen und immateriellen Schadens in Anspruch.
Das LG hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe es versäumt, gegen die nach § 80 Abs. 2 Nr. 3 VwGO, § 49 KWG sofort vollziehbare Abberufungsanordnung mit einem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzugehen (§ 839 Abs. 3 BGB).
Dagegen wendet sich der durch seinen früheren Prozessbevollmächtigten als Streithelfer unterstützte Kläger mit seiner Berufung. Die Erfolgsaussichten eines Antrages nach § 80 Abs. 5 VwGO seien zweifelhaft gewesen; etwas anderes folge nicht aus der vom LG herangezogenen Äußerung des Kammervorsitzenden am VG, die bestritten gewesen sei. Jedenfalls wäre ein derartiger Beschluss zu spät gekommen. Außerdem sei ein solches Verfahren von vornherein ungeeignet gewesen, ihn vom auf der Abberufungsaufforderung beruhenden, seine weitere Berufstätigkeit bei anderen Banken verhindernden Makel der Unfähigkeit zu befreien. Für die auf der Abberufungsaufforderung beruhenden immateriellen Beeinträchtigungen seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts und seiner Gesundheit gebühre ihm eine Entschädigung in der Größenordnung von 20.000 EUR.
Nachdem der Kläger zunächst verschiedene teilweise bezifferte Zahlungs- und Feststellungsanträge angekündigt, aber noch nicht gestellt hatte, beantragt er nunmehr,
1. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm durch den Abberufungsbescheid des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 2.6.1998 entstanden sind und künftig entstehen werden,
2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine angemessene Entschädigung nebst 4 % Zinsen seit dem 31.7.1998 wegen Verletzung der Gesundheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch den Abberufungsbescheid des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen vom 2.6.1998 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das landgerichtliche Urteil. Sie sei schon nicht passiv legitimiert, vielmehr hafte die Bundesrepublik Deutschland für Fehler des früheren Bundesaufsichtsamts für das ...