Entscheidungsstichwort (Thema)
Unbeanstandete Hinnahme von Jahresabrechnungen durch Gaskunden
Leitsatz (amtlich)
Auch für Sondervertragskunden gilt, dass kein einseitig bestimmter, sondern ein vereinbarter Preis vorliegt, wenn der Gaskunde die auf erhöhten Tarifen basierenden Jahresrechnungen unbeanstandet hinnimmt und weiterhin Gas bezieht, ohne in angemessener Zeit eine Überprüfung der Billigkeit nach § 315 BGB zu verlangen.
Normenkette
BGB § 315
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Urteil vom 22.01.2009; Aktenzeichen 13 O 159/07) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des LG Wiesbaden vom 22.1.2009 - Az.: 13 O 159/07 - wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollsteckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten über die Berechtigung von Preisbestimmungen für die Belieferung mit Gas.
Der Kläger bezieht von der Beklagten für seine Wohnung in O1 Gas für den Betrieb seiner Heizung und der Warmwasserversorgung. Die Beklagte bestätigte dem Kläger unter dem 8.7.1993 die Anmeldung der Verbrauchsstelle für die Abgabe von Strom und Gas und teilte ihm mit, dass sie ihn dem Tarif 349 zugeordnet habe, sofern die Tarife nicht vereinbart worden seien (Bl. 13 d.A.). Bei dem genannten Tarif handelte es sich um einen allgemeinen Tarif für den Haushaltsverbrauch. Im Jahr 1995 stellte die Beklagte ihr Tarifsystem für alle Kunden um, die zuvor zu allgemeinen Tarifpreisen oder nach Sonderabkommen versorgt worden waren. Danach gab es unter dem Oberbegriff "Allgemeine Tarife" einen Grundverbrauchstarif bei einem Jahresverbrauch bis 2.428 kWh und einen Grundpreistarif für Haushalte mit einem Jahresverbrauch bis 4.965 kWh. Ferner wurden unter dem Begriff "Heizgas-Sonderabkommen" die Tarife R1 und R2 für Verbrauchsmengen ab 4.966 kWh gebildet. Diese Tarife für "Heizgas -Sonderabkommen" wurden mit Wirkung vom 1.11.2001 durch die Tarife "..." bis zu einem Jahresverbrauch von 14.918 kWh und "..." für darüber liegende Jahresverbrauchsmengen abgelöst. Für diese Tarife veröffentlichte die Beklagte Bedingungen, die unter Nr. 2 bestimmen:
"Preisänderungen und Änderungen der Bedingungen für "..." werden nach öffentlicher Bekanntmachung in der örtlichen Presse wirksam ... ist nicht zu Einzelbenachrichtigungen verpflichtet".
Unter Nr. 3 ist geregelt:
"Allgemeine Bedingungen:
Soweit in diesen Bedingungen nichts Abweichendes geregelt ist, gelten die "Allgemeinen Bedingungen für die Gasversorgung für Tarifkunden ..." (Anlage K 28).
Die Beklagte berechnete den Gasbezug des Klägers je nach der Höhe seines Energieverbrauchs nach den vorgenannten Tarifen R1 oder R2 beziehungsweise ... und ... Dies beanstandete der Kläger zunächst ebenso wenig wie die mehrfache Anpassung der Preise durch die Beklagte. Erstmals mit Schreiben vom 20.12.2004 widersprach der Kläger ggü. der Beklagten einer Erhöhung der Tarifpreise für Gasbezug ab 1.8.2004 in der Abrechnung vom 14.12.2004 (Bl. 24/25 d.A.). Die vom Kläger geforderte Offenlegung der Kalkulationsgrundlagen wies die Beklagte zurück (Bl. 26/27 d.A.).
Mit der Klage hat sich der Kläger gegen die Jahresendabrechnungen der Beklagten vom 14.12.2004, 14.12.2005, 15.12.2006 und 15.12.2007 (Bl. 17, 20, 14 d.A., Anlage K 10) gewandt. Er hat die Ansicht vertreten, dass die zum 30.11.2003, 1.1.2004, 1.8.2004, 5.12.2004, 1.1.2005, 1.10.2005, 27.11.2005, 1.6.2006, 1.8.2006, 1.4.2007 und 1.10.2007 vorgenommenen Preisbestimmungen der Beklagten unbillig und unwirksam seien. Außerdem seien die mit der Jahresabrechnung vom 15.12.2007 geforderten Abschläge von 91 EUR unbillig und nicht fällig. Bei dem auf ihn angewandten Gastarif habe es sich um einen Sondertarif i.S.d. § 41 EnWG gehandelt. Aufgrund des Sondervertragsverhältnisses außerhalb der Grundversorgung (§ 36 EnWG) und des Fehlens einer wirksamen Preisanpassungsklausel könne die Beklagte die Preise ihm gegenüber nicht erhöhen. Die Beklagte könne sich auch bei Annahme eines Grundversorgungsverhältnisses für die Tarifänderungen nicht unmittelbar auf § 4 AVBGasV berufen. Die Klausel in den Allgemeinen Bedingungen der Beklagten sei hinsichtlich der Verweisung auf die AVBGasV intransparent und daher unwirksam. Bei Annahme eines einseitigen Preisanpassungsrechts der Beklagten sei diese jedoch ihrer nach § 315 BGB obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachgekommen. Die von der Beklagten berechneten Tarife entsprächen nicht der Billigkeit. Auch aus der Zahlung der vorangegangenen Rechnungsbeträge könne nicht auf einen Ausschluss der Unbilligkeitseinrede geschlossen werden. Insofern fehle es an den Voraussetzungen für ein deklaratorisches Schuldanerkenntnis. Die Gaseinfuhrpreise im Jahre 20...