Entscheidungsstichwort (Thema)
VW-Diesel-Skandal: Keine Haftung wegen Thermofenster im Software-Update
Leitsatz (amtlich)
1. Die im Zusammenhang mit der Aufdeckung des Abgasskandals ergriffenen Maßnahmen lassen in ihrer Gesamtschau eine Bewertung des Verhaltens von VW als sittenwidrig für die Zeit nach der Ad-hoc-Mitteilung vom 22.9.2015 und der darauffolgenden Medienberichterstattung nicht mehr zu.
2. Die Annahme eines VW vorzuwerfenden sittenwidrigen Verhaltens durch die Implementierung eines Thermofensters im Rahmen des Software-Updates kommt nur dann in Betracht, wenn Anhaltspunkte dafür erkennbar sind, dass VW im Bewusstsein gehandelt hat, auch hierdurch gegen gesetzliche Vorschriften zu verstoßen.
3. Bei Abschalteinrichtungen, die im normalen Fahrbetrieb in gleicher Weise arbeiten wie auf dem Prüfstand und bei denen Gesichtspunkte des Motor- bzw. Bauteilschutzes als Rechtfertigung angeführt werden, kann nicht ohne Weiteres angenommen werden, dass die Verantwortlichen in dem Bewusstsein gehandelt haben, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden.
Normenkette
BGB § 826
Verfahrensgang
LG Darmstadt (Urteil vom 21.11.2018; Aktenzeichen 11 O 130/18) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 21.11.2018 verkündete Urteil der 11. Zivilkammer des Landgerichts Darmstadt wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des auf Grund der Urteile vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Gebührenstreitwert für das Berufungsverfahren wird auf 26.130,72 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadenersatz wegen des Kaufs eines von der Beklagten hergestellten und vom sog. Abgasskandal betroffenen Gebrauchtwagens.
Der Kläger erwarb den streitgegenständlichen Pkw vom Typ VW Marke1 mit Kaufvertrag vom 17.11.2016 zu einem Kaufpreis in Höhe von 23.990,- EUR von der Firma A GmbH & Co. KG. Zur Finanzierung des Kaufpreises schloss der Kläger einen Darlehensvertrag, welcher Kosten in Höhe von 1.203,74 EUR verursachte. Durch den Abschluss eines "Schutzbriefes" entstanden dem Kläger weitere Kosten in Höhe von 936,98 EUR. Die vom Kläger in der Hauptsache geltend gemachte Klageforderung in Höhe von 26.130,72 EUR setzt sich aus dem Kaufpreis zuzüglich der Zins- und Schutzbriefkosten zusammen.
In dem vom Kläger erworbenen Fahrzeug ist - ebenso wie in einer Vielzahl weiterer von der Beklagten und von zur Unternehmensgruppe der Beklagten gehörender anderer Automobilunternehmen hergestellter Fahrzeuge - ein Motor des Typs EA 189 verbaut worden. In den Motoren des genannten Typs war eine von der Beklagten entwickelte Software eingebaut, die erkennt, ob das Fahrzeug sich auf dem Prüfstand zur Ermittlung der Emissionswerte befindet oder ob es im Straßenverkehr genutzt wird. Hierbei kam es im Modus 1 (Prüfstandsituation) zu einer deutlich höheren Abgasrückführung und somit zu einem geringeren Ausstoß von Stickoxyden als im Modus 0 (Straßenbetrieb). Der Modus 1 war allerdings lediglich beim Durchfahren des "Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ)" - also auf dem Prüfstand - aktiv. Im normalen Straßenverkehr wurde der in den betroffenen Fahrzeugen verbaute Motor ausschließlich im Betriebsmodus 0 betrieben.
Bereits mehr als ein Jahr vor dem Kauf des streitgegenständlichen Kraftfahrzeugs durch den Kläger hatte die Beklagte am 22.9.2015 eine Ad-hoc-Mitteilung gemäß § 15 WpHG veröffentlicht, in der es unter anderem hieß:
"Volkswagen treibt die Aufklärung von Unregelmäßigkeiten einer verwendeten Software bei Diesel-Motoren mit Hochdruck voran [...] Weitere bisherige interne Prüfungen haben ergeben, dass die betreffende Steuerungssoftware auch in anderen Diesel-Fahrzeugen des Volkswagenkonzerns vorhanden ist. Auffällig sind Fahrzeuge mit Motoren vom Typ EA 189 mit einem Gesamtvolumen von weltweit rund 11 Millionen Fahrzeugen. Ausschließlich bei diesem Motortyp wurde eine auffällige Abweichung zwischen Prüfstandwerten und realem Fahrbetrieb festgestellt. Volkswagen arbeitet mit Hochdruck daran, diese Abweichungen mit technischen Maßnahmen zu beseitigen."
Am selben Tag informierte der Vorstandsvorsitzende der Beklagten hierüber in einer Pressekonferenz
In der Folgezeit gab es eine bis zum heutigen Tage anhaltende ausführliche und umfangreiche Medienberichterstattung zum sogenannten Abgasskandal.
Anfang Oktober 2015 informierte die Beklagte ihr gesamtes Händlernetz und wies die Händler an, alle Gebrauchtwagenkäufer über das Vorhandensein der verbauten Umschalteinrichtung aufzuklären. Zeitgleich stellte die Beklagte auf ihrer Homepage ein Tool zur Verfügung, mit dem für jedes Fahrzeug ermittelt werden konnte, ob es von der Problematik betroffen ist. Mitte Oktober 20...