Entscheidungsstichwort (Thema)
Haftung für unsichere Aufbewahrung von Kfz-Schlüsseln
Leitsatz (amtlich)
Wer Fahrzeugschlüssel in einer am Kfz angebrachten Schlüsselbox aufbewahrt, ermöglicht schuldhaft die unbefugte Benutzung des Fahrzeugs.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 3; StVO § 14 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Wiesbaden (Aktenzeichen 10 O 265/98) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des klagenden Landes wird das Urteil der 10. Zivilkammer des LG Wiesbaden vom 14.7.1999 abgeändert. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an das klagende Land 25.781,29 DM zzgl. 4 % Zinsen seit dem 31.10.1998 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von Kosten des Rechtsstreits haben das klagende Land 7 % und die Beklagten gesamtschuldnerisch 93 % zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Wert der Beschwer beträgt für das klagende Land 1.810,19 DM und für die Beklagte 25.781,29 DM.
(Von der Darstellung des Tatbestands wird gem. § 543 As. 1 ZPO abgesehen.)
Gründe
Die zulässige Berufung hat überwiegend Erfolg.
Dem klagenden Land steht ggü. den Beklagten ein Anspruch auf Ersatz der geltend gemachten Schäden i.H.v. 25.781,29 DM zu. Der Beklagte zu 1) haftet dem Grunde nach als Halter des von T. geführten Fahrzeugs wegen schuldhafter Verletzung von Sicherungspflichten aus § 7 Abs. 3 1. Hs. 2 StVG, wie auch aus §§ 823 Abs. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 14 Abs. 2 StVO für die Folgen des Verkehrsunfalles. Die Beklagte zu 2) haftet als Versicherer aus § 3 Nr. 1 PflVG.
Als Halter des Fahrzeugs Ford Kombi trifft den Beklagten zu 1) die alleinige Haftung für die Folgen aus dem Verkehrsunfall vom 25.10.1996, denn der Unfall war für das klagende Land unabwendbar i.S.v. § 7 Abs. 2 StVG. Nach dem Inhalt der Verkehrsunfallanzeige vom 26.10.1996 und dem Bericht des KOK A. vom 20.11.1996 fuhr der Sträfling B. mit dem zuvor entwendeten Pkw des Beklagten zu 1) bewusst und gewollt auf das Einsatzfahrzeug des KOK A. zu, obwohl dieser unter Inanspruchnahme der Sonderrechte nach § 35 StVO die Einbahnstraße mit seinem Polizeifahrzeug blockiert hatte. Der KOK A. konnte auch durch Abbremsen den Zusammenstoß mit dem von B. geführten Fahrzeug nicht verhindern. Der Senat hat unter Würdigung der auszugsweise beigezogenen Akte der Staatsanwaltschaft bei dem LG Hanau – Az: 5 Js 5593.5/96 – keine Zweifel daran, dass B. seine Flucht auch unter Inkaufnahme der Beschädigung anderer Fahrzeuge rücksichtslos fortsetzen wollte. Die Beklagten haben den Hergang des Verkehrsunfalls im Berufungsverfahren nicht näher in Zweifel gezogen. Der Beklagte zu 1) haftet nach § 7 Abs. 3 1 Hs. 2 StVG (neben dem Fahrer B.) für die Unfallfolgen, da er mit der Verwahrung des Originalschlüssels in der Schlüsselbox objektiv gegen seine Sicherungspflicht verstoßen und die Schwarzfahrt des B. ermöglicht hat. Die höheren Unfallgefahren, die erfahrungsgemäß mit der Benutzung eines Kraftfahrzeugs durch nicht befugte Personen – insbesondere den Dieb – verbunden sind, erfordern strenge Anforderungen an die Sicherung des Kraftfahrzeugs durch den Halter. Auch wenn der Beklagte zu 1) die vorgeschriebenen Sicherungen nach § 38a StVZO betätigt hatte, war das Fahrzeug nicht so gesichert, wie es § 14 Abs. 2 StVO und die allgemeine Verkehrssicherungspflicht verlangt, wenn der Beklagte zu 1) den Fahrzeugschlüssel in einer an der Scheibe der Fahrertür angebrachten Schlüsselbox verwahrte. Diese Konstellation ist damit vergleichbar, dass der Kraftfahrer die Fahrzeugschlüssel im Wageninnern – insbesondere im Handschuhfach – aufbewahrt. In dieser Art der Aufbewahrung wird nach einhelliger Rechtsprechung i.d.R. eine objektiv unzureichende Sicherungsmaßnahme gesehen (BGH v. 14.7.1986 – IVa ZR 22/85, MDR 1987, 34 = VersR 1986, 962; OLG Frankfurt v. 28.1.1988 – 1 U 208/86, VersR 1988, 1122) und überwiegend auch ein Anspruch des Versicherungsnehmers aus der Fahrzeugversicherung verneint, da die Versicherung nach § 61 VVG wegen grob fahrlässiger Herbeiführung des Versicherungsfalles von der Verpflichtung zur Leistung frei werde (vgl. LG Leipzig v. 11.3.1994 – 2 O 4942/93, VersR 1995, 206; LG Hamburg VersR 1992, 463).
Im Gegensatz zur Verwahrung im Handschuhfach kann ein Dieb bei der Verwahrung in einer Schlüsselbox relativ sicher sein, den Fahrzeugschlüssel darin tatsächlich vorzufinden. Damit signalisiert die Schlüsselbox dem Dieb, wo sich der Schlüssel befindet und schon einen besonderen Tatanreiz. Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass sich die streitgegenständliche Schlüsselbox nur unter Anwendung erheblicher Gewalt aufbrechen ließ, stieß der Täter B. als erfahrener Dieb dabei offensichtlich auf keine unüberwindbaren Hindernisse. Der Anreiz, gerade das Fahrzeug des Beklagten zu 1) zu entwenden, wird objektiv dadurch erhöht, dass der Dieb nach dem gewaltsamen Öffnen der Fahrertür die Schlüsselbox nicht am Tatort, sondern in sicherer Deckung aufbrechen kann, um erst danach das Fahrzeug endgültig zu entwenden. Hinzu kommt, dass dem Täter da...