Entscheidungsstichwort (Thema)
Analoge Anwendung von § 304 AktG zugunsten von Genussscheinberechtigten
Normenkette
AktG § 304
Verfahrensgang
LG Frankfurt am Main (Urteil vom 14.12.2010; Aktenzeichen 3/5 O 65/10) |
Tenor
Das am 14.12.2010 verkündete Urteil der 5. Kammer für Handelssachen des LG Frankfurt/M. wird abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.008,70 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1.7.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, während der Dauer der Wirksamkeit des zwischen ihr und der A-Bank ... GmbH bestehenden Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages vom 26.6.2007 die Genussscheine der Klägerin zur WKN ... unabhängig von ihrer tatsächlichen Ertragslage jährlich gem. § 2 zu bedienen und diese im Zeitpunkt der Fälligkeit gem. § 6 zu ihrem vollen Nennbetrag zurückzuzahlen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit i.H.v. 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision der Beklagten wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Bedienung von Genussscheinen nach Abschluss eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages. Die Klägerin ist eine private Beteiligungsgesellschaft und Eigentümerin von 22 Genussscheinen der Beklagten zu einem Nennwert von jeweils 1.000 EUR.
Die Genussscheine wurden am 29.12.2000 von der ... B-Bank Aktiengesellschaft in O1 zu einem Gesamtnennbetrag von 200 Mio. EUR in einer Stückelung zu je 1.000 EUR begeben. Der ...-Genussschein ist zum organisierten Markt zugelassen. Er läuft zum 31.12.2012 aus und ist zum 1.7.2013 zur Rückzahlung fällig. Ausweislich § 2 Abs. 1 der Genussscheinbedingungen erhalten die Genussscheininhaber eine dem Gewinnanteil der Aktionäre der ... vorgehende jährliche Ausschüttung aus dem Bilanzgewinn, die nach den Bestimmungen in § 2 Abs. 2 berechnet wird. Gemäß § 2 Abs. 3 vermindert sich die Ausschüttung, wenn der Bilanzgewinn zur vollständigen Bezahlung nicht ausreicht. Insgesamt ist die Ausschüttung dadurch begrenzt, dass durch sie kein Bilanzverlust entstehen darf. Gemäß § 5 wird der Bestand der Genussscheine weder durch Verschmelzung oder Umwandlung der ... noch durch eine Veränderung ihres Grundkapitals berührt. Gemäß § 7 nehmen die Genusscheininhaber am laufenden Verlust (Jahresfehlbetrag) in voller Höhe teil. Wird ein Bilanzverlust ausgewiesen, vermindert sich der Rückzahlungsanspruch jedes Genussscheininhabers. Wegen der weiteren Einzelheiten der Genussscheinbedingungen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils, S. 3 ff. (Bl. 221 ff. d.A.) Bezug genommen.
Im Jahre 2002 verschmolz die ... mit der ... C-Bank Aktiengesellschaft zur Beklagten. Diese wiederum schloss am 26.6.2007 mit der A-Bank ... GmbH einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag (BGAV) ab. Zwischen der A-Bank ... GmbH und der A-Bank AG besteht ebenfalls ein Gewinnabführungsvertrag, der am 26.5.2004 in das Handelsregister eingetragen wurde. Mittlerweile ist die Beklagte eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der A-Bank ... GmbH, die wiederum eine 100-prozentige Tochtergesellschaft der A-Bank AG ist.
Zum Zeitpunkt der Zustimmung der Hauptversammlung der Beklagten zu dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der A-Bank ... GmbH lag unstreitig eine für die künftigen Geschäftsjahre positive Prognose hinsichtlich der Ertragsentwicklung der Beklagten vor. Die außen stehenden Aktionäre der Beklagten erhielten im Zusammenhang mit dem BGAV einen Ausgleich i.H.v. 1,01 EUR jeweils für die Geschäftsjahre 2007 und 2008 sowie eine Abfindung i.H.v. 24,32 EUR je Stückaktie.
Im Geschäftsjahr 2007 führte die Beklagte nach ihrem Geschäftsbericht infolge des bestehenden BGAV einen (fiktiven) Gewinn i.H.v. 103 Mio. EUR ab. Auf die Genussscheine leistete sie für das Geschäftsjahr 2007 eine Ausschüttung entsprechend dem im Geschäftsbericht ermittelten fiktiven Gewinn vor der Abführung. Ohne Verlustübernahme durch die herrschenden Gesellschafter wäre bei der Beklagten im Geschäftsjahr 2008 ein Fehlbetrag entstanden. Dennoch erbrachte die Beklagte auch für dieses Jahr weiter Zahlungen auf die Genussscheine.
Nach ihrem Jahresabschluss entstand der Beklagten für das Geschäftsjahr 2009 ein Jahresfehlbetrag i.H.v. 169,7 Mio. EUR, der allerdings bilanziell durch Erträge aus Verlustübernahmen i.H.v. 150,6 Mio. EUR durch die A-Bank ... GmbH aufgrund des BGAV und aus einer Herabsetzung der Rückzahlungsansprüche der Genussscheine i.H.v. 19,1 Mio. EUR ausgeglichen wurde. Zahlungen auf die Genussscheine leistete die Beklagte für das Jahr 2009 nicht.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Abschluss des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages die Genuss...